Lehrtipps

Das kleine 1×1 digitaler Körpersprache

19. Mai 2022

Ein Händeschütteln, das Hochziehen einer Augenbraue, der Tonfall, in dem etwas gesagt wird – all das sind Beispiele für Körpersprache. Jede:r nutzt diese nonverbalen Signale im Umgang mit einem persönlichen Gegenüber bewusst oder unbewusst. In der digitalen Kommunikation fallen nun viele dieser Möglichkeiten weg. Und es stellt sich die Frage: Wie lassen sich physische körpersprachliche Signale ins Digitale übersetzen? Dhawan (2021) befasst sich sehr ausführlich damit. Die wesentlichen, auch im Hochschulkontext relevanten Aspekte beleuchten wir näher.

Die Relevanz der Körpersprache im Realen und Digitalen

Körpersprache hat einen entscheidenden Einfluss, wie eine Person auf andere wirkt und wie ihre Botschaft wahrgenommen wird (Kruger et al., 2005). Leider lassen sich körpersprachliche Signale nicht 1:1 auf die digitale Kommunikation umsetzen. So gehen z.B. Lautstärke, Mimik und Gestik in einer E-Mail verloren. Zusätzlich fließt mit ein, dass in Abhängigkeit von Geschlecht, Alter und kulturellem Hintergrund eine unterschiedliche “digitale” Körpersprache verwendet wird (Dhawan, 2021). Das Ergebnis: Nicht selten werden Signale missverstanden bzw. missinterpretiert. Bei etwa jeder dritten E-Mail missversteht der bzw. die Empfänger:in den von dem bzw. der Sender:in mitgedachten “Tonfall” (Kruger et al., 2005).

Der Grundwortschatz digitaler Körpersprache

Wie jede Sprache muss auch “digitale” Körpersprache erst erlernt werden: Es geht darum, Möglichkeiten und Wege zu finden, um das Fehlen der nonverbalen Signale zu kompensieren bzw. zu ersetzen.

Machen Sie Implizites explizit.

Stellen Sie sich folgende Situation vor: In einem Gespräch nicken Sie – Ihr Gegenüber wird das als Zustimmung interpretieren. Im Digitalen können Sie dieses Nicken ausdrücken, indem Sie z.B. in einer Videokonferenz das “Daumen hoch”-Symbol verwenden und auf eine E-Mail mit einer ausführlichen Antwort reagieren. Wichtig ist also, dass Sie in der digitalen Kommunikation nonverbale Signale “sichtbar” machen:

Setzen Sie in Textnachrichten (E-Mail, Chat, SMS) Satzzeichen bewusst dazu ein, um den Tonfall einer Aussage wiederzugeben. Verwenden Sie häufiger Ausrufezeichen, als Sie es bisher vielleicht getan haben: Ein Ausrufezeichen drückt Ihre Zustimmung zu einem Sachverhalt oder die Wichtigkeit einer Aussage, die Sie explizit betonen möchten, aus. Ausrufezeichen vermitteln Freundlichkeit und Zugewandtheit. Vermieden werden sollten hingegen Auslassungspunkte. Diese können für Verwirrung sorgen, da sie eine Aussage oder eine Frage offen enden lassen (“Ich bin mir nicht sicher, ob Sie meine E-Mail erhalten haben…” > Ist dies eine konkrete Frage? Ist in dem Satz unausgesprochen Kritik versteckt?).

Bevorzugt in Chatnachrichten können Sie Emojis verwenden, um Ihre Stimmung, Haltung bzw. Gefühlslage auszudrücken. Der große Vorteil von Emojis: Mit ihnen lassen sich schnell und bildhaft Emotionen kommunizieren. Beachten Sie bei der Verwendung von Emojis allerdings, dass diese nicht dafür gedacht sind, Informationen (also das, was Sie im realen Gespräch sagen würden) zu ersetzen, sondern verwendet werden, um das Gesagte entsprechend zu betonen.

Übersicht bekannter Emojis
Abbildung 1: Übersicht bekannter Emojis

Blenden Sie in Videomeetings die Selbstansicht aus. Wenn Sie während eines Gesprächs permanent wortwörtlich in den Spiegel sehen, hemmt das Ihr natürliches Kommunikationsverhalten. Mit ausgeblendeter Selbstansicht agieren Sie authentischer und offener. Die gängigen Videokonferenzsysteme (Zoom, Teams) bieten das Ausblenden der Selbstansicht an. Für die anderen Teilnehmer:innen an dem Meeting bleiben Sie weiterhin sichtbar.

Abbildung 2: Option “Selbstansicht ausblenden” in Zoom

Machen Sie Wertschätzung sichtbar!

Im Digitalen fehlen die traditionellen Hinweisreize, um einem Gegenüber Anerkennung auszudrücken, z.B. durch ein Händeschütteln oder eine handgeschriebene “Danke”-Notiz. Dennoch lässt sich auch im Digitalen die Wertschätzung anderen gegenüber deutlich machen:

Lassen Sie keine E-Mail und keine Chatnachricht unbeantwortet. In eine reale Situation übersetzt würde das bedeuten, dass Sie Ihrem Gegenüber während des Gesprächs bewusst den Rücken zukehren bzw. dessen Fragen einfach ins Leere laufen lassen. In der Regel wird für die Beantwortung einer E-Mail eine Reaktionszeit von maximal 24 Stunden (während der Arbeitswoche) vorgeschlagen. Sollte die Beantwortung deutlich länger dauern (weil z.B. angeforderte Informationen erst beschafft werden müssen oder die Antwort sehr umfassend ist), empfiehlt es sich, zeitnah eine kurze Rückmeldung zu senden, in der der Eingang der E-Mail bestätigt wird und dann die ausführliche E-Mail im Nachgang (ohne Zeitdruck).

Wenn Sie eine E-Mail beantworten, formulieren Sie diese so, dass für den Empfänger Ihre fundierte Auseinandersetzung mit den Inhalten deutlich wird: Vermeiden Sie es, die Rückantwort auf mehrere E-Mails aufzuteilen. 

Vereinbaren Sie in Videomeetings, dass alle Teilnehmenden ihre Kamera eingeschaltet lassen und Multitasking (also die Beschäftigung mit anderen Medien oder Tools während des Meetings) unterbleiben sollte. Es zeigt Ihre Wertschätzung für die anderen Teilnehmenden, wenn diese Sie nicht während einer Videokonferenz beim Telefonieren, Tippen oder dem Gespräch mit einer unsichtbaren Person im Raum beobachten müssen. Würden Sie während einer Besprechung, bei der Sie alle in Präsenz in einem Raum sitzen, telefonieren? Wohl eher nicht. Sollte ein Telefonat o.ä. unbedingt notwendig sein, geben Sie kurz im Gruppenchat Bescheid.

Nutzen Sie während eines Videomeetings die Chatfunktion, um ausführliche Kommentare zu einer Frage abzugeben, eine Aussage zu bestätigen (anstatt nur mit “Ich stimme zu” oder der “Daumen hoch”-Geste zu kommentieren). Das erzeugt beim Gegenüber den Eindruck des konzentrierten Zuhörens.

Kommunizieren Sie überlegt!

“…Communicate Carefully, involves making a continuous effort to minimize the risk of misunderstanding and misinterpretation by being as clear as possible in your words and digital body language.”

(Dhawan, 2021, S. 14)

Vor allem bei der E-Mail-Kommunikation kommt es recht häufig zu unbeabsichtigten Missverständnissen. Ganz vermeiden lassen sich diese zwar nicht, aber doch reduzieren. Die folgenden Tipps können dabei helfen:

Achten Sie bei E-Mails auf einen aussagekräftigen Betreff – die Betreffzeile sollte eine Kurzzusammenfassung des Mailinhalts sein (z.B. statt “Feedback” besser “Rückmeldung zu der von Ihnen im Seminar ‚…‘ eingereichten Aufgabenlösung”).

Kurzgefasste Nachrichten (Chat, E-Mail) sind für die Leser:innen nicht immer klar und eindeutig verständlich. Zudem vermitteln sehr kurz formulierte Nachrichten den Eindruck von Desinteresse oder geringer Wertschätzung. Verwenden Sie deshalb einen eher epischen Schreibstil.

Nicht nur mittels des Mailtextes, sondern auch über die Empfängerliste (“An”, “CC” und “BCC”) werden nonverbale Informationen mittransportiert (Wer ist im Verteiler? In welcher Rolle? Wie groß ist der Verteilerkreis?…). Deshalb lohnt es, die Empfängerliste zu kontrollieren, bevor der “Senden”-Button gedrückt wird. Dhawan (2021, S. 74) erläutert die verschiedenen Empfängerrollen anhand einer Sportveranstaltung: Sender und direkte(r) Empfänger (“An”) sind die Athleten. Ohne weitere Beteiligte kann man sich den Austausch wie ein freundliches Ballwerfen mit Freund:innen ohne Zuschauer:innen vorstellen. Sobald ein Empfänger in CC gesetzt wird, findet das Ballwerfen unter der Beobachtung von Zuschauern statt. Werden Personen in BCC hinzugefügt, ist die VIP-Lounge mit Talentjäger:innen, Trainer:innen und Manager:innen gefüllt. Damit wird aus dem freundschaftlichen Ballwerfen ein ernstzunehmender Wettkampf. Wenn Sie nur einer Person antworten (“Reply”), lässt sich dies mit einem Vier-Augen-Gespräch mit einem anderen Athleten vergleichen. Im Gegensatz dazu ist “Reply all” mit einer Durchsage über die Stadionlautsprecher gleichzusetzen. Dementsprechend sollte “Reply all” ausschließlich E-Mails mit hoher Priorität oder mit Informationen, deren Kenntnis wirklich für die gesamte Empfängerliste von Bedeutung ist, vorbehalten sein. 

Drücken Sie nicht auf “Senden”, bevor Sie die E-Mail nicht Korrektur gelesen haben (sowohl in Hinblick auf formale Fehler, vor allem aber auf die logische Struktur und lesefreundliche Anordnung der Inhalte).

Gehen Sie grundsätzlich von den besten Absichten der Kommunikationspartner:innen aus.

“As with any form of communication, you will do well to assume the best intent when interpreting other people’s digital body language… Give other people the benefit of the doubt: maybe they were in a hurry, up against a deadline, or (more than likely) oblivious.

(Dhawan, 2021, S. 45)

Vielleicht ist es Ihnen auch schon passiert, dass Sie eine E-Mail in einem passiv-aggressiven Tonfall erhalten haben (z.B. unangebrachte Wortwahl, durchgängige Großschreibung oder die Verwendung mehrerer Fragezeichen am Ende einer (rhetorischen) Frage). Am besten ist es, nicht sofort zu reagieren. Verfassen Sie Ihre E-Mail mit zeitlichem Abstand, wenn der erste Ärger verflogen ist. Verwenden Sie dabei einen angemessenen Tonfall und argumentieren Sie mit Fakten bzw. stellen Sie konkrete Nachfragen. Eine weitere Möglichkeit ist es, nicht mit einer E-Mail zu reagieren, sondern das (vermeintliche) Problem z.B. telefonisch zu klären. 

Auch folgende Situation ist nicht ungewöhnlich: Während einer Videokonferenz gibt es nur eine geringe Beteiligung. Auf Fragen meldet sich keine:r zu Wort. Häufig neigt man dazu, dies als mangelndes Interesse zu interpetieren. Es könnte aber auch andere Gründe dafür geben, z.B. technisch bedingte Verzögerungen bei der Übertragung von Bild und Ton oder Unsicherheit auf Seiten der Teilnehmend:en. Machen Sie deshalb bewusst Pausen. Sie geben damit den anderen die Möglichkeit, mit den Einschränkungen umzugehen (5-Sekunden-Regel; Turmel, 2014). Eine weiterer Tipp ist die explizite Nutzung des Gruppenchats: Bitten Sie darum, offene Fragen oder Kommentare nicht mündlich, sondern schriftlich im Gruppenchat zu stellen. Geben Sie dafür zwei Minuten Zeit. Erst im Anschluss beantworten Sie die Fragen bzw. gehen auf die Kommentare ein (Dhawan, 2021).

Haben Sie weitere konkrete Tipps? Oder haben Sie abweichende Erfahrungen mit den oben genannten Empfehlungen gemacht? Teilen Sie diese gerne mit uns – kommentieren Sie hier, auf Twitter, Facebook oder LinkedIn.


Literatur

Dhawan, E. (2021). Digital body language: How to build trust and connection, no matter the distance (First edition). St. Martin’s Press.

Kruger, J., Epley, N., Parker, J., & Ng, Z.-W. (2005). Egocentrism over e-mail: Can we communicate as well as we think? Journal of Personality and Social Psychology, 89(6), 925–936. APA PsycArticles. https://doi.org/10.1037/0022-3514.89.6.925

Turmel, W. (2014, November 11). Five seconds to better virtual meetings. Management-Issues.Com.


Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Bachmaier, R. (2022, 19. Mai). Das kleine 1×1 digitaler Körpersprache. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20220519.DE

Unsere Autoren stellen sich vor:

Regine Bachmaier

Dr. Regine Bachmaier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik der Universität Regensburg. Sie unterstützt die Lehrenden im Bereich "Digitale Lehre", u.a. durch Workshops sowie individuelle Beratung. Daneben versucht sie, den Überblick über Aktuelles aus dem Bereich "Digitale Lehre" zu behalten und weiterzugeben.

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