Gastbeitrag Lehrpraxis

Die Mischung machts – zum Verhältnis von synchroner und asynchroner Lehre

7. Oktober 2021

Die letzten Semester waren für Dozierende und Studierende durch einen nahezu bzw. vollständig digital stattfindenden Lehrveranstaltungsbetrieb geprägt. Für die Dozierenden stellte sich dementsprechend bei der Planung ihrer digitalen Seminare die Frage, ob sie diese asynchron oder synchron bzw. als Kombination beider Formate gestalten wollen.

Worin liegen die spezifischen Chancen von asynchroner und synchroner Lehre? Und – sollte man sich für eine kombinierte Lösung entscheiden – wie sieht ein optimales Verhältnis synchroner und asynchrone Sitzungen aus?

Hintergrund

Asynchrone Lehre bietet sich an, wenn Studierende sich orts- und zeitunabhängig die Lerninhalte eigenständig aneignen sollen. Von den Studierenden wird hierbei gefordert, dass sie ihren Lernprozess weitgehend selbstständig verantworten und steuern können. Dies erfordert von ihnen eine hohe Selbstregulation und die Fähigkeit, sich selbst zum Lernen motivieren zu können. Dozierende können diesen Prozess unterstützen, indem sie die Lerninhalte gut strukturieren und motivationsförderliche Elemente einbinden (siehe Blogbeitrag „Motiviert lernen – wie kann ich meine Studierenden dabei unterstützen?“). 

Synchrone Lehre hingegen eignet sich vor allem für das gemeinsame Gespräch und das kooperative Lernen der Studierenden. Lerninhalte können in der Gruppe diskutiert und kritisch hinterfragt werden. Somit liegt das Potenzial synchroner Lehre in dem hohen Maß an Interaktion und Kommunikation. Gerade in Zeiten von Kontaktbeschränkungen ist es wichtig für die Studierenden, in Interaktion sowohl mit dem/der Dozierenden als auch den Kommiliton:innen zu treten und soziale Kontakte zu knüpfen oder zu festigen. Das Gefühl, Teil einer Lerngruppe zu sein, kann sich ebenfalls motivationsförderlich auswirken.

Zusammenfassend lassen sich den beiden Lehrformaten folgende Potenziale zuordnen:

Potenziale asynchroner LehrePotenziale synchroner Lehre
– hohe Eigenverantwortlichkeit der Studierenden
– individualisiertes Lernen
– zeitliche und räumliche Flexibilisierung des Lernens
– individuelles Kompetenzerleben
– soziale Eingebundenheit
– kooperatives Lernen
– Kennenlernen & Pflegen sozialer Kontakte
– Face-to-Face Kommunikation
– niedrigschwellige Option zur Nachfrage
– Nutzung diskursiver Formate

Praktische Umsetzung

Sowohl synchrone als auch asynchrone Lehre haben spezifische Potenziale und können entsprechend eingesetzt werden, um den Lernprozess der Studierenden zu unterstützen und die Lernziele einer Lehrveranstaltung zu erreichen. Wie viele synchrone und asynchrone Sitzungen sollte nun eine Lehrveranstaltung also letztlich enthalten, wenn man sich für die Kombination beider Formate entscheidet? Genau diese Frage stellte ich mir, als ich begann mein Seminar “Diversität in der Grundschule – Diversitätssensibel agieren” für das Sommersemester 2021 zu planen. Die Lehrveranstaltung war im Bereich der Grundschulpädagogik angesiedelt und richtete sich an Studierende ab dem 2. Semester. Mithilfe eines Advance Organizers (siehe Blogbeitrag A(dvance) & O(rganizer) für einen guten Überblick) wurden die Themenblöcke des Seminars veranschaulicht.

Zielsetzungen des Seminars waren

  • die Sensibilisierung der Studierenden für verschiedene Diversitätsmerkmale sowie damit in Zusammenhang stehende Ungleichheiten und Benachteiligungen (Block 1: Diversitätssensibilität), 
  • das Kennenlernen schulstruktureller Maßnahmen, mit denen Diversität und Ungleichheit in der Schule begegnet werden kann (Block 2: schulstrukturelle Maßnahmen) und
  • das Reflektieren von verschiedenen unterrichtsbezogenen Methoden und Konzepten, um mit Diversität im Unterricht umgehen zu können (Block 3: Unterrichtliche Konzepte und Methoden).

Als Studienleistung hatten die Studierenden die Aufgabe, ein Portfolio zu erstellen. Dieses bestand aus wöchentlich bereitgestellten Aufgaben, die in ihren Kompetenzanforderungen sowie inhaltlichen Schwerpunktsetzungen variierten.

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Abbildung 1: Advance Organizer des Seminars (A = asynchrone Sitzung, S = synchrone Sitzung)

Letztendlich entschied ich mich dafür, den Großteil meiner Seminarsitzungen asynchron anzubieten und synchrone Sitzungen zwischenzuschalten (siehe Abbildung 1), da die Studierenden primär ihr Wissen ausbauen sollten. Hierfür erschien mir das asynchrone Format besonders geeignet. Die Lerninhalte stellte ich den Studierenden auf der moodlebasierten Online-Lernumgebung der Universität Regensburg in Form eines Buches zur Verfügung. Dadurch konnte ich den Lerninhalt in einzelne Kapitel strukturieren. Die Repräsentation der Lerninhalte erfolgte multimedial anhand von Texten, Videos und Bildern. Zudem baute ich aktivierende Aufgabenformate mithilfe von h5p, Mentimeter, Padlet oder Flinga ein. Ich benutzte insbesondere die Quizfunktionen von h5p, um den Studierenden eine Rückmeldung zu ihrem Lernprozess geben zu können und ihnen ihren Lernfortschritt aufzuzeigen. Zur gemeinsamen Kommunikation und Vernetzung richtete ich einen seminarinternen Chat-Kanal ein.

Die synchronen Sitzungen wurden über Zoom abgehalten. In der ersten Sitzung legte ich den Fokus auf das gemeinsame Kennenlernen. Anschließend wurden die Seminarorganisation und die Anforderungen für die Studienleistung besprochen. Daraufhin begann die inhaltliche Arbeit, welche mit einem kurzen Input startete. Davon abgesehen bestanden die gemeinsamen Zoom-Sitzungen überwiegend aus orchestrierten kommunikativen Gesprächsphasen oder einzelnen Breakoutsessions in Partner- oder Gruppenarbeit mit Diskussions- und Arbeitsaufträgen für die Studierenden.

Unabhängig vom jeweiligen Format bearbeiteten die Studierenden wöchentlich eine Portfolioaufgabe, die sich inhaltlich an die jeweilige Sitzung anschloss. Zu diesen Aufgaben erhielten sie immer ein Feedback sowie Feed-Forward in Form eines kurzen Kommentars.

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Feedback der Studierenden

Das Feedback zum Format des Seminars fiel insgesamt sehr positiv aus. Es kamen jedoch auch einzelne Kritikpunkte auf: So gab es auf der einen Seite Studierende, die sich mehr gemeinsame Zoom-Sitzungen gewünscht hätten, um sich noch mehr austauschen zu können. Auf der anderen Seite teilten die Teilnehmenden die Ansicht, dass es zu viele Zoom-Sitzungen gewesen wären und sie sich die Lerninhalte lieber eigenständig erarbeitet hätten.

Die Seminarteilnehmer:innen hoben bei den asynchronen Phasen besonders die Strukturierung (zeitlich, visuell, inhaltlich) positiv hervor. Zudem sorgte der Einsatz verschiedener digitaler Tools dafür, dass die Studierenden die asynchronen Phasen als abwechslungsreich empfanden. Für die synchronen Phasen wurden keine vergleichbaren Punkte von den Studierenden aufgeführt.

Aus den als positiv benannten Aspekten der asynchronen Phasen lässt sich schließen, dass besonders die Lernbedürfnisse von Studierenden, die gerne zeitlich flexibel und selbstständig lernen, erfüllt werden konnten. Andere Studierende scheinen für ihren Lernprozess hingegen mehr kooperative Lernformen sowie die Möglichkeiten des Austausches und der Kommunikation zu benötigen, weswegen der Wunsch nach mehr synchronen Sitzungen geäußert wurde.

Fazit

Das richtige Maß an asynchronen und synchronen Sitzungen einer Lehrveranstaltung zu finden, erweist sich als anspruchsvolle Aufgabe für Dozierende. In erster Linie muss diese Entscheidung in Hinblick auf die Lernziele einer Veranstaltung getroffen werden. Liegt der Schwerpunkt der Zielsetzungen auf der Vermittlung von Wissen (wie in meinem Fall), sind zwar beide Formate denkbar, asynchrone Sitzungen aber von erheblichem Vorteil. Studierende schätzen an diesem Format die höhere Eigenaktivität, eine Flexibilisierung des Lernens sowie eine höhere Selbststeuerung des Lernprozesses.

Synchrone Sitzungen ermöglichen es den Studierenden, neues, eigenständig erarbeitetes Wissen mit dem/der Dozent:in zu diskutieren und tiefer zu verarbeiten. Dabei spielen die soziale Eingebundenheit, der Kontakt mit der Lerngruppe und das kooperative Lernen eine wichtige Rolle.

Als eine Möglichkeit, um den Lernbedürfnissen der Studierenden zukünftig besser zu entsprechen, habe ich überlegt, häufigere, dafür aber kürzere Zoomsitzungen abzuhalten (Dauer ca. eine Stunde). Den Fokus dieser Sitzungen würde ich hauptsächlich auf den Austausch sowie die Diskussion der erlernten und weniger auf das Vermitteln von neuen Inhalte legen. Eine weitere Überlegung besteht darin, den Studierenden in manchen Sitzungen eine Wahl des Formats – asynchron oder synchron – anzubieten und die Lerngruppe entsprechend aufzuteilen.

Was denken Sie: Welches Verhältnis von synchroner und asynchroner Lehre empfinden Sie als passend? Welche Rückmeldung haben Sie von Ihren Studierenden erhalten?


Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Quante, A. (2021, 7. Oktober). Die Mischung machts – zum Verhältnis von synchroner und asynchroner Lehre. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20211007.DE

Unsere Autoren stellen sich vor:

Alina Quante
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Alina Quante ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogik (Grundschulpädagogik) an der Universität Regensburg. Der Beitrag entstand im Rahmen des Lehrprojekts für die Vertiefungsstufe des Zertifikats Hochschullehre der bayerischen Universitäten am ZHW der Universität Regensburg.

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1 Comment

  • Reply Astrid Rank 19. November 2021 at 18:10

    Sehr interessant! Ich kann die Aussagen bestätigen, wenn ich auch selbst wohl der abschließend genannte Typ Mensch bin, der „für seinen Lernprozess hingegen mehr kooperative Lernformen sowie die Möglichkeiten des Austausches und der Kommunikation benötigt, weswegen der Wunsch nach mehr synchronen Sitzungen geäußert wurde.“. Danke für den Beitrag!

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