Lehrtipps

Die Sprechstunde – mehr als meet and greet

13. Juni 2024

Bei Lehre denken viele nur an Seminare oder Vorlesungen. Aber auch Sprechstunden nehmen einen wichtigen, oftmals unterschätzten Bestandteil im Alltag von Hochschullehrenden ein. Sie sind eine wertvolle Kontaktmöglichkeit zwischen Lehrenden und Studierenden. Damit sie ihr Potenzial entfalten, sind bei der Vorbereitung und Durchführung einige Punkte zu beachten.

Es gibt eine Vielzahl von Themen rund um das Studium, die Studierende im Rahmen der Sprechstunde gerne mit Ihnen besprechen möchten. Die Themen reichen von Referatsbesprechungen über fachliche Probleme bis hin zu Ängsten vor Prüfungssituationen. Je nach Anlass lassen sich die verschiedenen Themen in formal-informierend, prozessbegleitend bis hin zu persönlichen Krisen einordnen. Die nachfolgende Abbildung 1 zeigt einige Beispiele. 

Beratungsanlässe in Anlehnung an Wiesmann und schmucker
Abbildung 1: Beratungsanlässe eingeordnet nach einem Modell in Anlehnung an Wiesmann und Schmucker (2007)

Diese Einteilung ist nicht nur theoretisch wichtig, sondern auch praktisch relevant. Denn die verschiedenen Anlässe in Sprechstunden verlangen unterschiedliche Gesprächskompetenzen. 

In formal-informierenden Gesprächen (in der Grafik ganz links) benötigen Lehrende entsprechende inhaltliche Kompetenzen, da sie hier hauptsächlich Informationen weitergeben. 
In Gesprächen zu persönlichen Krisen hingegen ist hauptsächlich eine methodische Beratungskompetenz notwendig, da die Anerkennung von Gefühlen und die Interpretation der Äußerungen des Gegenübers im Vordergrund stehen. Für prozessbegleitende Gespräche können beide Kompetenzen gefragt sein. Die Themen in diesen Gesprächen verlangen sicherlich eine Reihe an entsprechenden Informationen, können aber je nach Ausrichtung auch persönliche, kritische Situationen ansprechen. Beispielsweise können Studierende als Anlass der Sprechstunde das Nichtbestehen einer Klausur angeben. Dabei benötigen sie sicherlich einerseits Informationen zur Nachholprüfung und möchten über die Verbesserung ihres aktuellen Lernverhaltens sprechen. Andererseits könnte im Gespräch aufkommen, dass auch eine gewisse Prüfungsangst der Grund für das Nichtbestehen der Klausur war. Ein Gespräch über Prüfungsangst erfordert allerdings eine methodische Beratungskompetenz (siehe Abbildung 2). 

Gesprächskompetenzen in Anlehnung an Wiesmann und schmucker
Abbildung 2: Gesprächskompetenzen eingeordnet nach einem Modell in Anlehnung an Wiesmann und Schmucker (2007)

Hochschullehrende sollten sich zu Beginn einer Sprechstunde bewusst machen, für welche Themen sie die richtige Ansprechperson sind und welche Themen besser an anderer Stelle geklärt werden. Wichtig ist dabei: Insbesondere Themen, die den persönlichen Krisen zugeordnet werden, sollten nur von professionellen Beratungsstellen betreut werden. Wenn Sie merken, dass Studierende mit kritischen Themen zu Ihnen in die Sprechstunde kommen, können Sie sie an folgende Beratungsstellen an der Universität Regensburg verweisen: 

Gute Vorbereitung ist das A und O

Um bereits vorab klären zu können, welche Themen Studierende mit Ihnen besprechen möchten, sollten Sie die Studierenden um eine Vorbereitung auf die Sprechstunde bitten. Die Studierenden sollen Ihnen vorab mitteilen, 

  • was das Anliegen für den Besuch in der Sprechstunde ist, also ihre zentralen Fragen und Wünsche kommunizieren
  • was die Studierenden schon getan haben, um das Problem eigenständig zu lösen und
  • was deren Erwartungen an Sie als Lehrperson sind.

Dadurch können Sie bereits im Vorfeld feststellen, ob Sie die richtige Ansprechperson für das gestellte Problem sind. 

Aber auch Sie als Lehrperson sollten im Vorfeld einige Fragen klären.
Zunächst müssen Sie festlegen, wann Sie für die Studierenden erreichbar sind. Sollen Ihre Sprechstunden regelmäßig (bspw. wöchentlich) ablaufen? Wenn ja, wie kommunizieren Sie Ihre Sprechzeiten an die Studierenden? 
Oder sollen Studierende individuelle Termine mit Ihnen vereinbaren? Wenn ja, wie können die Studierenden einen solchen Termin vereinbaren? 

Anschließend müssen Sie sich für ein Medium entscheiden. Möchten Sie Ihre Sprechstunden in Präsenz in Ihrem Büro oder virtuell über Zoom abhalten? 
Die Vorteile solch direkter (synchroner) Gespräche sind, dass Fragen direkt beantwortet und Nachfragen gestellt werden können. Vorab sollten Sie sich Gedanken zur Raumgestaltung machen (Weinberger, 2013). Bei Gesprächen in Präsenz ist es ratsam, den Raum unterstützend zu gestalten und Ablenkungen zu vermeiden (z.B. Telefon umleiten, entsprechende Information an der Bürotür, etc.). Bei Gesprächen über zoom müssen Sie überlegen, wie viel Einblick Sie den Studierenden in Ihren Raum gewähren wollen und den Kamerahintergrund entsprechend anpassen.  

Auch wenn noch nicht weit verbreitet, ist es durchaus denkbar, Sprechstunden asynchron zu gestalten (Stanik & Maier-Gutheil, 2020), z.B. per Mail oder Forenbeiträgen. Da die Kommunikation ohne Zeitdruck erfolgt, kann über die eigenen Beiträge ausreichend nachgedacht und umfangreich auf Fragen geantwortet werden. Außerdem können Sie auch schnell und unkompliziert weiteres Informationsmaterial ausgeben (z.B. anhängen oder verlinken). 
Bei asynchronen Gesprächen ist es wichtig, einige Informationen vorab auszugeben: 

  • Wie schnell können die Studierenden mit einer Antwort auf ihr Anliegen rechnen?
  • Wie viel Material dürfen/sollen die Studierenden ihren Anfragen anhängen? Beispielsweise ihre Aufgabenlösungen oder markierte Textstellen, die nicht verstanden wurden. 
  • Inwieweit sind die studentischen Beiträge in Foren von anderen (z.B. von Kommilitoninnen und Kommilitonen oder anderen Lehrpersonen) einsehbar?

Zudem sollten Sie auf eine persönliche Sprache achten. Auch wenn die Kommunikation schriftlich abläuft, sind die Rahmenbedingungen durchaus ähnlich wie in einem mündlichen Gespräch. Dazu gehört im Forum ein Begrüßungstext, der Studierende einlädt, das Forum als Sprechstunde zu nutzen. 

Wie können Sie das Gespräch in der Sprechstunde strukturieren? 

Damit eine Sprechstunde effizient und zielführend ablaufen kann, muss das Gespräch sinnvoll strukturiert werden und ein Ablaufschema zugrunde liegen. Die Struktur gemäß des Münchner Modells der Gesprächsführung (MMG-Modell, Gartmeier, 2018), ist gerade für formal-informierende Gespräche sehr passend. Das Modell basiert auf Wertschätzung, konstruktiver Zusammenarbeit und Lösung vorliegender Gespräche. Im Gespräch mit Studierenden sollten Sie eine wertschätzende Grundhaltung einnehmen, indem Sie die Meinungen der Studierenden ernst nehmen, auch wenn Sie sie nicht teilen. Des Weiteren ist es wichtig, dass für beide Seiten klar ist, dass bei einem Problem Lehrende als fachliche Experten unterstützen können, aber keine fertigen Lösungen präsentieren. Außerdem müssen Sie die Strukturierung eines Gesprächs für die Studierenden transparent machen. Dadurch leiten Sie das Gespräch lösungsorientiert. Das MMG-Modell besteht aus insgesamt 6 Schritten, die einen gut strukturierten Aufbau und Ablauf eines Beratungsgesprächs ermöglichen (Gartmeier, 2018). 

1.  Begrüßung

Zu Beginn des Gesprächs heißen Sie Ihre Studierenden mit einer offenen Art willkommen und zeigen Sie Interesse an ihnen und an dem bevorstehenden Gespräch (z.B. indem Sie das Telefon umstellen oder stumm schalten). Versuchen Sie, die aktuellen Emotionen Ihrer Studierenden wahrzunehmen und dann auch anzusprechen. 

2.  Erfassung der Ist-Situation

Anschließend versuchen Sie ein differenziertes Verständnis des aktuellen Problems zu erreichen und die dafür relevanten fachlichen Informationen an die Studierenden auszugeben. Kommunizieren Sie dabei auch eigene Beobachtungen bzw. Ihre eigene Haltung und erkennen Sie die Situation der Studierenden an (z.B. Schwierigkeiten beim Umgang mit Fachliteratur im ersten Semester). 

3.  Definition des Soll-Zustandes

Nun sollten Sie zusammenfassen, wie die im bisherigen Gespräch gemeinsam herausgearbeiteten Ziele lauten und bis wann die Studierenden diese umsetzen. 

4.  Einbringung und Abwägung von Lösungsvorschlägen

In Abhängigkeit von den gesetzten Zielen sollten Sie Ideen und Lösungswege mit den Studierenden generieren und abwägen. Dabei besprechen Sie auch die bisherigen Lösungsansätze der Studierenden.

5.  Entscheidung und Vereinbarung zu deren Umsetzung

Direkt nach der Entscheidung für einen Lösungsweg sollten Sie die konkrete Umsetzung gemeinsam planen und vereinbaren, wie die Studierenden nun weiter vorgehen. Bieten Sie dabei Ihre beratende Unterstützung an.

6.  Verabschiedung 

Zum Abschied versuchen Sie eine ermutigende und motivierende Schlusssituation zu schaffen. Fragen Sie Ihre Studierenden, ob Sie mit dem Gespräch und dem konkreten Umsetzungsplan zufrieden sind und bieten Sie weitere Gespräche an. 

Im nachfolgenden Video wird die Anwendung des MMG-Modells auf eine Sprechstundensituation gezeigt. 

Wie sind Ihre Erfahrungen mit Sprechstunden? Welche Tipps und Tricks nutzen Sie, um Ihre Sprechstunden effektiv zu führen? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gerne über die Kommentarfunktion oder LinkedIn.


Literatur

Gartmeier, M. (2018). Gespräche zwischen Lehrpersonen und Eltern. Wiesbaden: Springer Fachmedien.

Stanik, T. & Maier-Gutheil, C. (2020). Online-Beratung – Formate, Anforderungen, Befunde. Kontext, 51(2), 110–122.

Weinberger, S. (2013). Klientenzentrierte Gesprächsführung. Lern- und Praxisanleitung für psychosoziale Berufe. Weinheim und Basel: Beltz Juventa

Wiesmann, B. & Schmucker, T. (2007). Studierende ziel- und lösungsorientiert beraten. In Hawelka, B., Hammerl, M. & Gruber, H. (Hrsg.), Förderung von Kompetenzen in der Hochschullehre (S. 209-219). Kröning: Asanger.


Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Rottmeier, S. (2024, 13. Juni).  Die Sprechstunde – mehr als meet and greet. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20240613.DE

Unsere Autoren stellen sich vor:

Stephanie Rottmeier
Dr. Stephanie Rottmeier is a research assistant at the Centre for University and Academic Teaching (ZHW) at the University of Regensburg. She supports and advises lecturers with regard to the didactic design of lectures and seminars. Her focus here is on the themes of self-regulated learning, particularly the digital organisation of self-learning phases, and students’ motivation to learn.

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