5 Tipps zur Erstellung verständlicher Lerntexte

“Lehrmaterial muß verständlich formuliert sein. Dieser Forderung stimmt jeder zu und doch reißen die Klagen über schwierige Texte nicht ab.” Diese Aussage von Steffen-Peter Ballstaedt (1991, S. 19) ist mehr als 30 Jahre alt, hat aber kaum an Aktualität verloren: Technisch stellt es für die meisten Lehrenden heute kein großes Problem dar, Lerntexte (also Texte, die Studierenden als Lernmaterial an die Hand gegeben werden) zu erstellen und online zur Verfügung zu stellen. In Hinblick auf die inhaltliche, sprachliche und optische Gestaltung gibt es jedoch oftmals Unsicherheiten. Deshalb möchten wir Ihnen in diesem Blogbeitrag vier grundlegende Empfehlungen zur Gestaltung verständlicher Lerntexte geben zzgl. eines Tipps zur technischen Umsetzung.

Ob und inwieweit Studierende einen Lerntext verstehen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Einer ist die lernförderliche Gestaltung des Lerntextes: Gestalten Sie einen Lerntext also so, dass dieser den Studierenden die Informationsaufnahme erleichtert, ohne dabei deren kognitive Anstrengungen (cognitive load) zur Verarbeitung der Informationen (Paas & Sweller, 2021) unnötig zu erhöhen. Kurz gesagt: Gestalten Sie einen Lerntext leserlich und leicht verständlich (vgl. dazu ausführlich die Informationen auf leserlich.info).

1. Bieten Sie den Leser:innen Struktur und Orientierung

Ein guter Lerntext stellt die Inhalte in gegliederter Form dar und schafft damit Struktur. Nutzen Sie folgende Möglichkeiten, um Ihren Leser:innen Orientierung zu bieten:

Inhaltsverzeichnis: Das Inhaltsverzeichnis soll es ermöglichen, den Aufbau und die Themen des Lerntextes auf einen Blick zu erfassen. Wichtig ist dabei, dass Sie auf eine geeignete optische Darstellung sowie Granularität der aufgeführten Inhalte achten.

Beispiel für ein gut gestaltetes Inhaltsverzeichnis
Abbildung 1: Beispiel für ein gut gestaltetes Inhaltsverzeichnis

Advance Organizer: Ähnlich wie das Inhaltsverzeichnis ermöglicht auch ein Advance Organizer einen Überblick über den Aufbau und die Themen des Textes. Ein Advance Organizer bietet eine Vorstrukturierung der folgenden Inhalte. Im Gegensatz zum Inhaltsverzeichnis und zur Zusammenfassung versucht er zudem, das bei den Leser:innen vorhandene Vorwissen anzuregen. Es sind auch grafische Formen des Advance Organizers möglich.

Zusammenfassungen: Zusammenfassungen sind bei umfangreichen Texten unbedingt notwendig. Sie bündeln die wichtigsten Inhalte und können an verschiedenen Stellen im Text eingebunden sein: als Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen am Ende des Textes bzw. bei umfangreichen Texten auch als Zwischenzusammenfassungen. Als Alternative zum Advance Organizer kann eine Zusammenfassung als Überblick dem eigentlichen Text vorangestellt werden. Zusammenfassungen können auch in grafischer Form dargestellt werden.

nachvollziehbare Reihenfolge der Inhalte: Bei der Erstellung des Textes müssen Sie sich für eine bestimmte Abfolge der Inhalte entscheiden. Es sollte Ihnen gelingen, die Reihenfolge so anzulegen, dass die Leser:innen den Gedankengang nachvollziehen können. Manche Themen geben von vornherein eine geeignete Reihenfolge vor, bei anderen Inhalten ist Ihr didaktisches Vermögen entscheidend (vgl. dazu ausführlich z.B. Arzberger & Brehm, 1995, Kapitel 3). 

prägnante Überschriften: Überschriften sind ein hervorragendes Mittel, die Gliederung sprachlich und optisch zu verdeutlichen. Die typografische Hervorhebung von Überschriften unterbricht den Lesefluss und gibt den Leser:innen dadurch Gelegenheit zur Wiederholung oder der Aktivierung ihres Vorwissens. Sie können Überschriften nutzen, um das Thema des folgenden Abschnitts anzusprechen bzw. zusammenzufassen. 

Aufzählungen: Machen Sie von der Möglichkeit Gebrauch, Aufzählungen in einem Lerntext durch Aufzählungszeichen bzw. Nummerierungen optisch deutlich zu machen.

2. Verwenden Sie eine einfache Sprache.

Neben der gegliederten Darstellung der Inhalte ist die Verwendung einer einfachen Sprache die zweite wichtige Voraussetzung für die Verständlichkeit eines Lerntextes. Verfassen Sie Ihren Text in einer einfachen Sprache, können die Leser:innen schnell die Wörter erfassen und Zusammenhänge zwischen diesen innerhalb eines Satzes herstellen. Zu einer einfachen Sprache gehören:

übersichtlicher Satzbau: Es ist nicht notwendig, dass ein Text nur aus kurzen Hauptsätzen besteht. Verwenden Sie durchaus Satzgefüge. Achten Sie aber darauf, Schachtelsätze zu vermeiden. Dabei handelt es sich um lange, in sich verschachtelte Sätze mit mehreren Einschüben und Nebensätzen. Lösen Sie diese komplizierten Satzgebilde auf, indem Sie daraus mehrere übersichtlicher gestaltete Sätze bilden. Neben Schachtelsätzen sollten Sie auch auf Nominalisierungen verzichten.

eindeutige Textbezüge: Bemühen Sie sich, Textzusammenhänge herzustellen. Orientieren Sie sich dazu an folgenden Empfehlungen:

  • Nutzen Sie Konjunktionen („aber”, “oder”, “weil”, “sondern”), um inhaltliche Beziehungen zwischen Sätzen bzw. Satzteilen herzustellen. 
  • Achten Sie bei der Verwendung von Pronomen darauf, dass für Ihre Leser:innen eindeutig erkennbar ist, worauf sich das Pronomen jeweils bezieht (“Die Lage der Partei ist bedrückend. Sie ist innerlich zerrissen.” > Wer? Die Lage oder die Partei?).
  • Greifen Sie im fortgeschrittenen Textverlauf vorher gegebene Informationen explizit auf, um sie wieder ins Arbeitsgedächtnis zu rufen (“Die eingangs gestellte Frage nach … lässt sich wie folgt beantworten.”; “Im Folgenden wird der bereits in Kapitel 1.3 erläuterte Begriff ‘Blended Learning’ nochmals aufgegriffen, um…”)

geläufiges Vokabular: Verwenden Sie Synonyme nur, wenn diese den Leser:innen Ihres Lerntextes bekannt sind. Kontrollieren Sie bei der Verwendung von Fachbegriffen, inwieweit Sie diese erklären müssen. Eventuell bietet es sich an, für Fachbegriffe ein Glossar einzubinden.

stimulierende rhetorische Mittel: Bemühen Sie sich, den Text möglichst “anregend” und so wenig abstrakt wie möglich zu formulieren. Dies gelingt Ihnen, indem Sie z.B. bildhaftes Vokabular, rhetorische Bilder (Metaphern, Vergleiche) und anschauliche Beispiele einbinden (vgl. dazu ausführlich Ballstaedt, 1994, S. 46ff.).  Darüber hinaus sollten Sie auf eine geschlechtergerechte Sprache achten (vgl. dazu die Empfehlungen des Webportals genderleicht.de).

3. Gestalten Sie das Seitenlayout und die Schrift lesefreundlich.

Die wichtigste Empfehlung in diesem Kontext lautet: Achten Sie über das gesamte Dokument hinweg auf eine konsistente Gestaltung der Seiten und der eingebundenen Elemente . So sollten z.B. Inhalte auf allen Seiten einheitliche Abstände zum Seitenrand haben, Hervorhebungen im Text auf die immer gleiche Weise (z.B. durch Fettung) vorgenommen werden und Seitenzahlen jeweils an der gleichen Stelle platziert werden. Zusätzlich sollten Sie folgende Punkte beachten:

Seitenlayout: Der Text sollte einen großzügigen Abstand zu den Seitenrändern haben. Häufig wird der rechte Rand extra breit angelegt. Damit können die Leser:innen dort Anmerkungen oder Skizzen notieren. 

Schriftgestaltung: Nicht alle Schriften sind gleich leserlich. Bei einigen lassen sich die Buchstaben bzw. Wörter schlechter entziffern als bei anderen. Dies kann bei längeren Lerntexten zu einem häufigeren Verlesen, zu einer Abnahme der Lesegeschwindigkeit und/oder einem Nachlassen der Lesemotivation führen. Neben der Auswahl einer passenden Schriftart sind z.B. auch Schriftgröße, Strichstärke, Zeichenabstand, Zeilenabstand, Zeilenlänge und Kontrast für die Leserlichkeit eines Textes relevant. Ausführliche Informationen zur Auswahl einer gut leserlichen Schriftgestaltung (jeweils inklusive sehr prägnanter Beispiele) hält die Website leserlich.info bereit.

Auszeichnung von Wichtigem bzw. Besonderem: Heben Sie “herausragende” Textelemente, also z.B. Zusammenfassungen, Merksätze oder Beispiele optisch hervor. Nutzen Sie dazu Kästen, farbige Unterlegungen oder die Möglichkeiten der Schriftauszeichnung (“Signalingprinciple”; Fiorella & Mayer, 2021). Beachten Sie die durchgängig konsistente Verwendung der Hervorhebungen und setzen Sie dieses Gestaltungsmittel gezielt ein.

4. Binden Sie Visualisierungen ein.

Mayer (2021) fasst verschiedene Studien zusammen, die belegen, dass der Lerneffekt bei einer Kombination von geschriebenem Text und Bild höher ist als wenn Sachverhalte nur mittels Text erklärt werden. Damit die Leser:innen Ihres Lerntextes das Potential von Text-Bild-Kombination optimal ausschöpfen können, sollten Sie die grundlegenden Prinzipien zur Gestaltung von Multimedia beachten (vgl. ausführlich Fiorella & Mayer, 2021):

  • Halten Sie Visualisierungen so einfach wie möglich.
  • Positionieren Sie Beschriftungen nah an Grafiken bzw. sofern möglich an die entsprechende Stelle in der Grafik.
Beispiel für eine gut beschriftete Grafik
Abbildung 2: Beispiel für eine gut beschriftete Grafik
  • Verwenden Sie zur Visualisierung von Daten geeignete Diagramme. Die Website “Data Viz Project” kann Ihnen bei der Entscheidungsfindung helfen.
  • Achten Sie bei dem Einsatz von Icons auf die Verwendung bekannter Symbole. Fündig werden Sie sicherlich bei dem Webportal “Noun Project”.

5. Nutzen Sie Formatvorlagen.

Alle gängigen Textverarbeitungsprogramme bieten vorgefertigte Formatvorlagen an, z.B. für Überschriften, Aufzählungen und Abstände. Nutzen Sie diese Vorlagen zur Gestaltung Ihrer Lerntexte. Für Sie ergeben sich dadurch diverse Vorteile. Sie können das Inhaltsverzeichnis Ihres Lerntextes mit Hilfe weniger Mausklicks automatisch erstellen. Das Gesamtdokument erscheint automatisch in einem durchgängig einheitlichen Layout. So haben z.B. alle Überschriften gleicher Ordnung ein identisches Aussehen, ebenso ist der Zeilenabstand des Fließtextes durchgängig gleich. Nehmen Sie Änderungen zentral in der Formatvorlage vor, wirken sich diese automatisch auf alle entsprechend formatierten Elemente innerhalb des Dokuments aus: Ändern Sie z.B. die Schriftgröße der “Überschrift 1” in der Formatvorlage, werden automatisch alle Überschriften erster Ordnung in Ihrem Dokument aktualisiert.

Ihr Dokument macht einen großen Schritt in Richtung Barrierearmut (ausführliche Informationen dazu enthält der Beitrag “Drei einfache Tipps für barrierearme Hochschullehre”).

Über ein Feedback, inwieweit diese Tipps für Sie gewinnbringend sind, würden wir uns freuen. Nutzen Sie dazu gerne die Kommentarfunktion.


Literatur

Arzberger, H. & Brehm, K.-H. (Hrsg). (1995). 4. Aufl. Lerntexte in der Weiterbildung. Gestaltung und Bewertung. Publicis.

Ballstaedt, S.-P. (1994). Lerntexte und Teilnehmerunterlagen (2. Aufl.). Beltz.

Fiorella, L., & Mayer, R. (2021). Principles for Reducing Extraneous Processing in Multimedia Learning. In R. Mayer & L. Fiorella (Eds.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (Cambridge Handbooks in Psychology, pp. 185-198). Cambridge University Press. doi:10.1017/9781108894333.019

Mayer, R. (2021). The Multimedia Principle. In R. Mayer & L. Fiorella (Eds.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (Cambridge Handbooks in Psychology, pp. 145-157). Cambridge University Press. doi:10.1017/9781108894333.015

Paas, F., & Sweller, J. (2021). Implications of Cognitive Load Theory for Multimedia Learning. In R. Mayer & L. Fiorella (Eds.), The Cambridge Handbook of Multimedia Learning (Cambridge Handbooks in Psychology, pp. 73-81). Cambridge University Press. doi:10.1017/9781108894333.009


Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Bachmaier, R. (2022, 21. April). 5 Tipps zur Erstellung verständlicher Lerntexte. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20220421.DE

Regine Bachmaier
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Dr. Regine Bachmaier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik der Universität Regensburg. Sie unterstützt die Lehrenden im Bereich "Digitale Lehre", u.a. durch Workshops sowie individuelle Beratung. Daneben versucht sie, den Überblick über Aktuelles aus dem Bereich "Digitale Lehre" zu behalten und weiterzugeben.