Zukunftsweisende Impulse für die Hochschullehre – Highlights der HEAd‘23 im Rückblick

Jedes Jahr im Juni treffen sich Forscher:innen und Lehrende aus der ganzen Welt auf der International Conference on Higher Education Advances (HEAd) in Valencia, um zukunftsweisende Lehrkonzepte auszutauschen und praxisnahe Forschungsergebnisse zu diskutieren. Dieses Jahr war auch das Team von lehrblick.de dabei. Aus der Vielzahl an Beiträgen sind uns drei besonders aufgefallen.

Achtsamkeit | Abseits des Curriculums

Das Thema Achtsamkeit erfährt auch an Hochschulen zunehmend Aufmerksamkeit. Üblicherweise werden zu diesem Thema Kursangebote ergänzend zu einem Curriculum angeboten oder Achtsamkeitsübungen in ein Curriculum oder eine Veranstaltungseinheit integriert. Einen neuen Weg geht die Georgia Southern University. Dort werden mit der Initiative “Brain Booth” verteilt über den gesamten Campus Räume und Aktivitäten für Achtsamkeit bereitgestellt. Grundgedanke ist es, dass Lehrende und Studierende niedrigschwellig, d.h. jederzeit, ohne Anmeldung räumlich nah verschiedene Möglichkeiten finden, um in achtsamen Pausen einen konzentrierten Fokus zu fördern. Die meisten dieser Stationen sind in Bibliotheken integriert, da hier ohnehin Ruhe herrscht und in der Regel große Flächen zur Verfügung stehen.

Viele der Stationen wurden einfach und ohne technischen Aufwand realisiert. Dazu zählen z.B. 

  • Meditationsecken: In verschiedenen sichtgeschützten Bereichen der Lesesäle stehen Meditationsecken zur Verfügung. 
  • Spielecken mit der Möglichkeit, u.a. Puzzles zu bauen, Mandalas zu zeichnen oder Schach zu spielen
  • Graditute log: Die Studierenden werden an unterschiedlichen Orten auf dem Campus angeregt zu überlegen, wofür sie dankbar sind.

Andere, technisch aufwändigere Angebote wurden mit Hilfe von Sponsorengeldern realisiert. Dazu zählen bspw. Licht- und Soundduschen oder spezielle Orte, an denen mittels VR-Brillen Studierende in eine virtuelle Realität abtauchen können.
Erste Evaluationsergebnisse (Karadjova-Kozhuharova & Baker, 2023) belegen, dass der Brain Booth Studierenden hilft, Stress abzubauen, sich zu entspannen und zu beruhigen, frische Energie zu tanken und sie anschließend in der Lage sind, konzentrierter und klarer zu arbeiten.

Schachspiel und VR-Brille als zwei Beispiele für Achtsamkeitsangebote

Online-Spanischkurs | Asynchrone und synchrone Elemente geschickt gemischt

Scott und Jennifer Despain (2023) stellten die Weiterentwicklung ihres Spanischkurses an der North Carolina State University vor, der über viele Jahre hinweg als rein asynchrones Onlineangebot durchgeführt wurde. 

Ausgangspunkt für die Überarbeitung war das Bedürfnis der Studierenden, auch in klassischen asynchronen Onlinekursen verstärkt persönlichen Kontakt zu der Lehrkraft zu bekommen. Zur Vertiefung der Studierenden-Lehrenden-Beziehung wurden verschiedene Elemente eingebaut, u.a.:

  • Orientierungstreffen:  Zu Kursbeginn findet ein verpflichtendes Zoom-Treffen statt, das u.a. dazu dient, die Betreuer:innen sowie die anderen Kursteilnehmer:innen kennenzulernen. Der Kursaufbau, die Kursinhalte sowie die technischen Aspekte werden ausführlich vorgestellt und die Erwartungen von Seiten der Kursleitung an die Teilnehmer:innen besprochen. Ziel dieses Treffens ist das persönliche Kennenlernen sowie die Abklärung, ob das Online-Kursformat die Bedürfnisse der einzelnen Lerner:innen trifft (oder diese besser ein anderes Kursformat, z.B. den ebenfalls angebotenen Präsenzkurs besuchen sollten).
  • Chapter Check-In: Gemäß der Zielsetzung Each Student – A Person gibt es regelmäßige “Chapter Check-Ins”. Etwa alle drei Wochen treffen sich die Studierenden in Einzelsessions mit ihrem Betreuer/ihrer Betreuerin. Es handelt sich dabei um eine verpflichtende Aktivität, die in Bewertung einfließt. In diesen Chapter Check-Ins besprechen die Betreuer:innen mit den Studierenden deren persönliche Erfahrungen und Fortschritte (Vor welchen Herausforderungen stehst du aktuell? Was klappt gut?…). Gemeinsam werfen sie einen Ausblick auf die kommenden Themen und besprechen Fragen des/der Studierenden. Den Abschluss bildet eine fünfminütige Konversationsübung.
  • Treffen zur Prüfungsvorbereitung: Es handelt sich hierbei um Face-to-Face-Treffen in der Gruppe. Dieses Angebot ist freiwillig und dient dazu, Fragen der Studierenden zu beantworten und bei Schwierigkeiten zu unterstützen.

Die Einbindung von persönlichen synchronen Treffen wurde von den Studierenden positiv wahrgenommen. So äußerten zwei Drittel in der abschließenden Befragung, dass sie sich auf die Chapter Check-Ins gefreut und sich dadurch besser mit ihren Betreuer:innen verbunden gefühlt haben. 85% der Kursteilnehmer:innen fühlten sich durch diese 1:1-Besprechungen sehr gut wahrgenommen.

Als weiteres Element, um das Engagement der Studierenden zu steigern, wurden in den Kurs diverse Gamification-Elemente eingebaut, über deren Bearbeitung die Studierenden die Möglichkeit erhalten, “Badges” zu verdienen, die sie dann nutzen können, um z.B. vergessene Hausaufgaben zu kompensieren. Erste Erfahrungen zeigen, dass dieses Angebot zu mehr Engagement auf Studierendenseite führt.

Ein interessanter Nebeneffekt: Auch bei den Lehrenden kommt das neue Kurskonzept besser an, u.a. äußern sie eine größere Arbeitszufriedenheit.

Person nimmt an einem Zoom-Meeting teil.

Abbruch bei MOOCs | Aus ist nicht erst, wenn der Schiri abpfeift

Nicht nur praktische Impulse, auch praxisnahe Forschungsergebnisse wurden auf der HEAd’23 präsentiert. Meghan Perdue (2023) vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) ging in einer qualitativen Interviewstudie der Frage nach, warum nur ein kleiner Bruchteil der eingeschriebenen Teilnehmer:innen MOOCs auch tatsächlich abschließt. Es zeigte sich, dass die Teilnehmer:innen ein komplexes Verständnis von “Abschluss” haben, das weit über den formalen Erwerb des Zertifikats hinausgeht. Sie setzen sich vielmehr eigene Lernziele und betrachten den Kurs dann für abgeschlossen, wenn sie diese Ziele erreicht haben. Der Kursabschluss ist demnach relativ zu den eigenen Vorsätzen und Interessen zu sehen und kann unter Umständen stark von den vorgegebenen Zielen zur Erlangung eines Zertifikats abweichen. Ein Zertifikat erwerben die Teilnehmer:innen nur dann, wenn sie einen persönlichen oder beruflichen Nutzen darin sehen. Unter diesem Aspekt sind viele Teilnehmer:innen von MOOCs keine Abbrecher, sondern selbstbestimmte Nutzer:innen, die in einer stark selbstregulierten Weise die Angebote wahrnehmen.

Ausblick

Sie möchten sich selbst einen ausführlichen Überblick über alle Tagungsbeiträge verschaffen? Nutzen Sie die Blog-Sommerpause, um in dem Tagungsband mit allen Konferenzbeiträgen zu schmökern. Dort finden Sie auch unseren Beitrag, in dem wir lehrblick.de als nonformales Bildungsangebot für Hochschullehrende vorstellen.

Und als gelungenen Start in den Herbst möchten wir Ihnen den Besuch des Tags der digitalen Lehre empfehlen. Am 26. September 2023 präsentieren Lehrende ihre Konzepte und Erfahrungen mit digitaler Lehre und stehen für einen Austausch an virtuellen Kaffeetischen zur Verfügung.

Referenzen

Karadjova-Kozhuharova, K. G. & Baker, R. L. (2023, June). Positive effects of mindfulness practices on academic performance and well-being. Ninth International Conference on Higher Education Advances. http://dx.doi.org/10.4995/HEAd23.2023.16244

Despain, S. & Despain, J. A. (2023, June). Nurturing the human connection: Increasing student engagement and personal connection in an asynchronous language course. Ninth International Conference on Higher Education Advances. http://dx.doi.org/10.4995/HEAd23.2023.16366 

Perdue, M. (2023, June). Investigating learners’ perceptions of completion and certification in MOOCs. Ninth International Conference on Higher Education Advanceshttp://dx.doi.org/10.4995/HEAd23.2023.16052


Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Bachmaier, R. & Hawelka, B. (2023, 27. Juli).  Zukunftsweisende Impulse für die Hochschullehre – Highlights der HEAd‘23 im Rückblick. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/zhw/20230727.DE

Regine Bachmaier
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Dr. Regine Bachmaier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik der Universität Regensburg. Sie unterstützt die Lehrenden im Bereich "Digitale Lehre", u.a. durch Workshops sowie individuelle Beratung. Daneben versucht sie, den Überblick über Aktuelles aus dem Bereich "Digitale Lehre" zu behalten und weiterzugeben.

Birgit Hawelka
+ Beiträge

Dr. Birgit Hawelka ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik an der Universität Regensburg. In Forschung und Lehre beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit den Themenfeldern Lehrqualität und Evaluation. Ansonsten verfolgt sie neugierig alle Entwicklungen und Erkenntnisse rund um das Thema Hochschullehre.