In Seminaren werden die unterschiedlichsten Anforderungen an Studierende gestellt: Gestaltung und Moderation eines Referats, aktive Mitarbeit, selbstständige Vor- und Nachbereitung, Recherche und Lesen von Literatur usw.
Doch was ist, wenn die Studierenden den Mehrwert hinter diesen Seminaraufgaben nicht erkennen? In einem einführenden Seminar für Studierende der Erziehungswissenschaft im ersten Semester habe ich versucht, diese Problematik zu beheben: Durch eine transparente Darlegung der Lernziele konnte ich nicht nur die Akzeptanz der Studierenden für die verschiedenen Aufgaben im Seminar steigern. Ich erhielt durch eine kurze Evaluation der expliziten Kommunikation der Lernziele auch weiterführendes Feedback zum Seminar.
Hintergrund
Inhaltlich liegt der Schwerpunkt des Seminars auf Theorien und Forschungsbefunden zur Erklärung der menschlichen Entwicklung und Sozialisation. Bezüglich der gestellten Anforderungen im Seminar fielen im vorherigen Semester folgende Aspekte negativ auf:
- Nur wenige Studierende fassten die Grundlagenliteratur zur Vorbereitung auf die Sitzung zusammen. Das Lesen der Literatur wurde als lästige Pflichtaufgabe angesehen.
- Es kam nicht zur erhofften Diskussion über die behandelten Themen. Die Studierenden nahmen die Theorien und Modelle meist als gegeben hin und konnten die erlernten Inhalte nur schwer auf Fallbeispiele anwenden.
- Teilweise erkannten die Studierenden den Sinn und Zweck der erforderlichen Referatsgestaltung nicht. Dies wurde ersichtlich, nachdem manche die Frage stellten, weshalb sie die Aufbereitung der Inhalte selbst übernehmen müssten und die Dozentin die Inhalte nicht im Vorlesungsformat vermittle.
Aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschieden, die didaktischen und inhaltlichen Ziele des Seminars konkret auszuformulieren und den Studierenden transparent zugänglich zu machen. Daneben wurde die Bearbeitung und Diskussion einer (vorgegebenen) Reflexionsfrage als konkreter Arbeitsauftrag während der Referate eingeführt.
Praktische Umsetzung
Die Lernziele wurden outputorientiert formuliert und beinhalten die Kompetenzen, welche die Studierenden nach den Referaten können sollen (Bachmann, 2018). Die Lernziele wurden in der Einführungsveranstaltung des Seminars zusammen mit dem Seminarablauf präsentiert und folgendermaßen erläutert.
- Die Studierenden sollen die behandelte Theorie wiedergeben und beschreiben können (Lernziel 1), indem sie die jeweilige Literatur vor der Sitzung lesen und zusammenfassen. Die Wiederholung der Inhalte zu Beginn der von den Referatsgruppen gestalteten Sitzungen dient ebenfalls der Verbesserung des Verständnisses.
- Durch die zusätzliche Beantwortung einer vorgegebenen Reflexionsfrage innerhalb der Referate sowie ihrer interaktiven Bearbeitung sollen die Studierenden dazu befähigt werden, kritisch über die behandelte Theorie zu diskutieren und sie auf ein Fallbeispiel anzuwenden (Lernziel 2).
- Außerdem gestaltet je eine Gruppe von Studierenden einmal im Semester ein Referat und moderiert die Diskussion zur Reflexionsfrage (Lernziel 3), da beides wichtige Fertigkeiten und sogenannte „Soft Skills“ hinsichtlich der künftigen beruflichen Praxis als Erziehungswissenschaftler:in darstellen.
Feedback der Studierenden
Gegen Mitte des Semesters bat ich die Studierenden in einer kurzen formativen Evaluation einzuschätzen, ob sie die Lernziele bisher als erreicht ansehen. Dazu gaben die Studierenden zu den folgenden Fragen anhand einer fünfstufigen Likert-Skala („Ich stimme voll und ganz zu“ bis „Ich stimme überhaupt nicht zu“) Feedback. Außerdem konnten zu einer offenen Frage allgemeine Anmerkungen zu den Lernzielen vorgenommen werden. Die anonyme Abstimmung wurde über die E-Learning-Plattform der Universität Regensburg abgewickelt.
Die Studierenden gaben positive Rückmeldungen zum ersten Lernziel. Die Zusammenfassungen wurden als hilfreich empfunden, um die Theorien beschreiben und wiedergeben zu können.
In Bezug auf das zweite Lernziel konnten Verbesserungsvorschläge gesammelt werden. Zwar wurde die Reflexionsfrage als hilfreich eingestuft, um eine Diskussion über die Inhalte zu beginnen. Es wurde allerdings angemerkt, dass der Zusammenhang zur theoretischen Grundlagenliteratur noch deutlicher hervorgehoben und behandelt werden sollte. Das Feedback der Studierenden konnte im weiteren Seminarverlauf direkt umgesetzt werden.
Die Rückmeldungen zum dritten Lernziel waren ebenfalls positiv. Das Referat stellte laut Aussage der Studierenden eine gute Übung für zukünftige Semester dar. Das erhaltene Peer-Feedback zu inhaltlichen, didaktischen und rhetorischen Aspekten des Referats wurde als nutzbringend eingestuft.
Fazit
Die Kommunikation der Lernziele war mit geringem Mehraufwand möglich. Zu Beginn des Seminars hatte ich die Sorge, die Lernziele seien zu banal ausformuliert und die alleinige Präsentation am Anfang des Semesters erziele keine Verbesserung. Diese Befürchtung erwies sich als unbegründet, die Implementierung brachte mehrere Vorteile mit sich:
- Im Seminar schien die Akzeptanz für das Lesen und Zusammenfassen der Texte höher zu sein. Die Zusammenfassungen wurden zuverlässiger abgegeben. Die Wiederholung der Inhalte zu Beginn der Referate führte zielgerichteter zum Thema der Reflexionsfrage.
- Die Bearbeitung der Reflexionsfrage innerhalb der Referatssitzung schien den Studierenden Spaß zu machen und regte zum Nachdenken an. So kam es vermehrt zum erhofften Austausch und der Diskussion über die verschiedenen Theorien und Modelle.
- Im Vergleich zum vorherigen Semester wurden nur mehr sehr wenige Rückfragen der Studierenden gestellt, welchen Grund die eigene Gestaltung und Moderation eines Referats hat.
Die Evaluation der Kommunikation der Lernziele mit Hilfe der kurzen Umfrage nahm nur wenig Seminarzeit in Anspruch. Durch die Umfrage konnten nicht nur die Lernziele selbst noch einmal zum Thema gemacht werden, die Studierenden wurden außerdem zur Reflexion über den eigenen Lernprozess angeregt. Mit Hilfe der Ergebnisse aus der Umfrage konnte zudem ein überraschend detailliertes Resümee gezogen werden. Dies wäre ohne die Erläuterung der Lernziele am Semesteranfang sicherlich nicht so gut möglich gewesen.
Was denken Sie: Welche Lernziele für Seminare könnten (vielleicht sogar fächerübergreifend) ausformuliert werden? Wie könnte man die Lernziele den Studierenden gegenüber noch kommunizieren? Welche Möglichkeiten gibt es neben einer Evaluation, um das Thema Lernziele an sich im Seminar zu behandeln? Ich freue mich auf Ihre Ideen!
Literatur
Bachmann, H. (2018). Formulierung von Lernergebnissen. In H. Bachmann, Kompetenzorientierte Hochschullehre (E-Book): Die Notwendigkeit von Kohärenz zwischen Lernzielen, Prüfungsformen und Lehr-Lern-Methoden. Hep-Verlag.
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Stümpfl, A. (2022, 24. Februar). Drei Vorteile der Kommunikation von Lernzielen im Seminar. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20220224.DE
Anna Stümpfl
Anna Stümpfl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädagogik I der Universität Regensburg. Die Fallstudie entstand im Workshop “Fokus Hochschullehre” des Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik der Universität Regensburg.
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