Barrierefreie bzw. -arme Lehre ist ein Thema, das an Hochschulen und Universitäten einen hohen Stellenwert besitzt. Was ist eigentlich unter barrierefreier bzw. -armer Lehre zu verstehen? Und wie kann man diese umsetzen? Im Folgenden möchten wir diese beiden Fragen beantworten, u.a. stellen wir Ihnen drei einfache Tipps vor, wie Sie Ihre Lehre barrierearm gestalten können.
Unter barrierefreier bzw. – armer Hochschullehre ist zu verstehen, dass Lehrende ihre Veranstaltungen möglichst so aufbereiten, dass Menschen mit Beeinträchtigung keine Nachteile bei der Teilnahme an diesen erfahren. Barrierearme Lehre bedeutet also z.B. konkret, dass Lehrmaterialien für die Benutzung mit Vorlese-Software optimiert werden oder die Prüfungsform für Personen mit motorischen Einschränkungen angepasst wird (mündliche Alternativ-Prüfung statt schriftlicher Prüfung). Auch organisatorische Maßnahmen wie die Auswahl eines für Rollstühle zugänglichen Veranstaltungsraumes oder die Bereitstellung eines Gebärdendolmetschers gehören zu diesem umfangreichen Feld.
In der universitären Praxis stellt sich die Gleichstellung von Studierenden mit Beeinträchtigung schwieriger dar als in der Theorie. Gerade in der digitalen Lehre können Barrieren durch den Einsatz von Text-, Audio- und Videomaterial entstehen. Und die Dozierenden sind teilweise durch den angenommenen Mehraufwand abgeschreckt, teilweise sind ihnen bestimmte Barrieren gar nicht bewusst.
Aus dem vielfältigen Portfolio der Möglichkeiten zur Gestaltung barrierearmer Lehre haben wir im Folgenden drei einfach umsetzbare Tipps mit hohem Effekt ausgewählt.
Stellen Sie organisatorische Informationen rechtzeitig bereit
Viele Barrieren lassen sich im Vorfeld vermeiden, wenn Sie organisatorische Informationen rechtzeitig bereit stellen. Klären Sie Details wie den Veranstaltungsort, die Anforderungen an die Teilnehmer:innen, Bestehenskriterien, Möglichkeiten zur Kommunikation usw. schon bei der Anmeldung zur Veranstaltung. Einzelheiten zum Veranstaltungsort wie z.B. die Zugänglichkeit für Rollstuhlfahrer können genauso relevant sein wie die Art des Leistungsnachweises bzw. das Angebot entsprechender Alternativen.
Stellen Sie folgende Informationen für Ihre Studierenden bereit:
- Kurstermine und -zeiten: Für Studierende mit Beeinträchtigung ist es oft aufwändiger zum Veranstaltungsort zu kommen, daher müssen sie mehr Zeit einplanen
- Veranstaltungsort: Die frühzeitige Angabe des Veranstaltungsorts ermöglicht es Ihren Teilnehmer:innen, im Vorfeld barrierefreie Zugängen oder barrierefreie Technologien am Ort (z.B. Blindenarbeitsplatz) zu recherchieren.
- Teilnahmevoraussetzungen: Wird z.B. ein Reader als Voraussetzung genannt, muss ein sehbeeinträchtigter Teilnehmer sich um eine kompatible, digitale Alternative bemühen.
- Lehr-/Lernmaterialien: Versuchen Sie zudem das Lernmaterial so früh als möglich bereitzustellen. Sie erleichtern damit Studierenden mit Beeinträchtigungen die Bearbeitung.
- benötigte „Materialien“/Hardware: Informieren Sie im Vorfeld über die zur Teilnahme notwendigen Materialien bzw. Hardware, können die Teilnehmer:innen prüfen, ob sie passende Geräte besitzen oder diese ggf. anpassen müssen.
- Fristen: Machen Sie Fristen für die Anmeldung, die Leistungsnachweise, Referate, für Prüfungstermine,… bereits frühzeitig bekannt. Für Menschen mit Beeinträchtigung ist die Semesterplanung aufwändiger, deshalb ist es für sie von Vorteil, Zwischenziele bereits Vorab zu kennen und einzuplanen. Verwenden sie Zeitlimits nur in Ausnahmefällen. Wenn Sie mit Fristen arbeiten, setzen Sie diese großzügig und erlauben Sie begründete Verlängerungen.
- Nachteilsausgleich: Oftmals sind Studierenden nicht alle Möglichkeiten des Nachteilsausgleichs bekannt bzw. sie werden nicht in Anspruch genommen. Zudem kommunizieren Betroffene ihre Beeinträchtigungen nicht immer freiwillig. Seien Sie deshalb transparent in der Kommunikation und weisen Sie Ihre Teilnehmenden explizit darauf hin. Signalisieren Sie, dass Sie gerne offen über dieses Thema kommunizieren möchten.
Zusammengefasst: Jede Information und jedes Material, die Sie im Vorfeld der Veranstaltung bereitstellen, hilft betroffenen Personen – auch, um ihre Bedenken zu zerstreuen.
Die Universität Regensburg führt auf der Website mit dem Titel Studieren mit Beeinträchtigung diverse Angebote für Studierende auf: von Informationen zum Nachteilsausgleich bis zu Mentoring-Angeboten. Informieren Sie sich vorab über mögliche Hilfsangebote und informieren Sie auch Ihre Teilnehmer:innen über die vorhandenen Möglichkeiten.
Planen Sie Lehrmethoden im Voraus
Hemmschwellen im Nachgang zu reduzieren ist meist aufwändiger als von Beginn an damit zu planen. Behalten Sie also schon in der Planungsphase zu Ihren Veranstaltungen das Thema Barrierefreiheit im Auge:
- Die Aufteilung ihrer Lehrveranstaltung in synchrone und asynchrone Abschnitte spielt in Hinblick auf die Barrierefreiheit eine zentrale Rolle. Synchrone Bestandteile (Präsenzsitzungen oder Zoom Meetings) stellen eine größere Belastung für Menschen mit Behinderung dar. Asynchrone Elemente (z.B. asynchrone Lehrvideos, Selbstlernmodule usw.) erlauben Ihren Teilnehmer:innen eine individuelle Zeiteinteilung und dadurch ein individuelles Lerntempo. Selbstständig Lernpausen einplanen zu können oder Videos bei Bedarf zu pausieren oder zurückzuspulen, erleichtert den Umgang mit dem Lehrmaterial.
- Zeitlich begrenzte Frage-Antwort-Formate können problematisch sein, weil sie ein bestimmtes „Lerntempo“ einfordern. Hörgeschädigte werden so bei mündlichen Varianten benachteilig, sehbeeinträchtigte Teilnehmer:innen bei schriftlichen Frage-Antwort-Formaten.
- Kollaborative Methoden, die einen hohen Kommunikations- bzw. Diskussionsanteil beinhalten, sollten auf jeden Fall zeitlich großzügig geplant werden.
Gestalten Sie Materialien barrierearm
Angepasstes Lehrmaterial ist ein sehr praktikabler Ansatzpunkt. Der Aufwand zum Entfernen von Barrieren ist nicht immer unerheblich, kann die Qualität des Lehrmaterials aber deutlich steigern. Wir konzentrieren uns im Folgenden auf die am häufigsten verwendete Software Microsoft Powerpoint bzw. Word und Adobe PDF. Ein Großteil der Tipps ist aber ebenso auf deren Alternativen anwendbar.
Die primäre Barriere bei der Erstellung von Dokumenten ist die mangelhafte Aufbereitung der Inhalte für Vorleseprogramme (sog. Screenreader). Um mit einem Screenreader effizient durch Dokumente „navigieren“ zu können, benötigen Sehbehinderte eine sauber aufbereitete Dokumentenstruktur.
Dies wird in erster Linie durch eine sehr einfache Herangehensweise gelöst, nämlich der Verwendung von Formatvorlagen. Die Auszeichnung der Inhalte als „das, was sie sind“, ermöglicht es Benutzer:innen von Screenreadern, einfach durch das Dokument zu navigieren und die Struktur des Dokuments zu erfassen.
Nicht alle Formatvorlagen sind gleich relevant. Die wichtigsten Elemente sind:
- Absätze
- Überschriften
- Listen
- Links
- Tabellen
- Bilder und Grafiken
Passt die Gestaltung eines der Elemente nicht ins Gesamtbild, empfiehlt sich immer die Anpassung der Formatvorlage, anstatt den Einzelinhalt zu editieren. Mit Rechtsklick auf ein Bild oder eine Grafik kann die Option „Alternativtext bearbeiten“ ausgewählt und eine Beschreibung der Grafik eingegeben werden. Damit können Sie die Grafik für Teilnehmer:innen mit einer Sehbeeinträchtigung beschreiben und „sichtbar“ machen.
Halten Sie dieses Vorgehen konsequent für das gesamte Dokument ein, können Vorleseprogramme jedes Formatelement von erkennen und ansteuern. Selbst beim korrekten Export in ein anderes Dateiformat, z.B. in ein PDF-Dokument, bleibt die Struktur erhalten und somit sind keine weiteren Anpassungen an der Struktur nötig.
Analog zu der Verwendung von Formatvorlagen im Textverarbeitungsprogramm empfiehlt es sich, für Präsentationen die vorgegebenen Folienlayouts zu verwenden. Die Foliengestaltung und -struktur (z.B. Farbe des Hintergrunds, Schriftgrößen usw.) erfolgt hier über den sog. Folienmaster.
Die TU Dresden hat ausführliche Erläuterungen zum Vorgehen bei Microsoft Word, Microsoft Powerpoint und Adobe Indesign bereitgestellt.
Fazit
Barrierefreiheit ist ein sehr umfangreiches und komplexes Themenfeld. Mit unseren Tipps können Sie mit überschaubarem Aufwand eine deutliche Verbesserung der eigenen Lehre in Hinblick auf Barrierearmut erzielen. Wir wollen aber auch nicht verschweigen, dass viele Barrieren, wie zum Beispiel die nachträgliche Untertitelung von Videos oder die Überarbeitung bestehender PDFs weiterhin bestehen. Um diese zu beseitigen, erfordert es dann erheblichen Mehraufwand und fortgeschrittene Expertise in diesem Bereich.
Es ist von enormer Bedeutung, Menschen mit Beeinträchtigung zu signalisieren, dass man sich ihrer Probleme bewusst und bereit ist, diese zu lösen. Gesprächsbereitschaft und vorausschauende Kommunikation sind dabei der Schlüssel zum Erfolg. Vermitteln Sie ihren Teilnehmer:innen, dass Sie mit Ihren Problemen auf Sie zukommen können, haben Sie bereits die größte Hürde hin zu barrierefreier Lehre genommen.
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Greiner, F. (2022, 24. März). Drei einfache Tipps für barrierearme Hochschullehre. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20220324.DE
Florian Greiner
Florian Greiner ist als Instructional Designer für die Virtuelle Hochschule Bayern (vhb) am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik der Universität Regensburg tätig. Er unterstützt die Lehrenden im Bereich "Digitale Lehre", u.a. durch Workshops sowie individuelle Beratung. Seine Schwerpunkte umfassen die Unterstützung bei der Erstellung digitaler Lehr-Inhalte sowie Beratung zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz.
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