Das erleben Hochschullehrende jeden Tag: Wer interessiert ist, lernt fast von selbst. Außerdem lernen Studierende engagierter und nachhaltiger, wenn sie sich für ein Thema interessieren. Lehrende stehen vor der Herausforderung, nicht nur zu informieren, sondern auch zu inspirieren. Doch wie gelingt es, aus anfänglicher Neugier eine tiefe Faszination und schließlich eine leidenschaftliche Begeisterung für den Lernstoff zu entwickeln? Der Artikel beleuchtet die Bedeutung von Interesse im Lernprozess und zeigt praxisnahe Strategien auf, wie Sie als Lehrende das Interesse Ihrer Studierenden wecken und nachhaltig fördern können.
Was ist Interesse und warum ist es wichtig?
“Interesse für etwas empfinden oder an etwas interessiert sein” beschreibt alltagssprachlich, was wir unter Interesse verstehen. Als Interesse wird eine Beziehung zwischen einer Person und bestimmten Inhalten oder Gegenständen beschrieben. Diese Beziehung beinhaltet eine affektive und eine kognitive Komponente. Die Person empfindet gegenüber dem Inhalt oder Gegenstand positive Gefühle wie Aufregung, Faszination und Vergnügen. Gleichzeitig ist der Inhalt oder Gegenstand für sie persönlich bedeutsam und relevant, was zu einer kognitiven Wertschätzung führt (Krapp, 2018; Høgheima, Jenssen & Federici, 2023).
In der universitären Lehre faszinieren Studierende bestimmte Lerninhalte, die für sie außerdem relevant sind, beispielsweise in einem späteren Berufsleben oder in ihrem aktuellen Alltag. Das daraus resultierende Interesse am Lerninhalt beeinflusst die Qualität des Lernprozesses dieser Studierenden. Sie setzen sich intensiver und ausdauernder mit den Inhalten auseinander und verwenden meist tiefenorientierte Lernstrategien (Schiefele, Krapp & Schreyer, 1993). Das beeinflusst die Qualität ihres Lernens und somit auch den Lernerfolg positiv (Krapp, 2018).
Die Auseinandersetzung mit den Lerninhalten findet bei interessierten Studierenden außerdem recht selbstbestimmt und größtenteils unabhängig von äußerlichen Rahmenbedingungen statt. Sie lernen aus intrinsischer Motivation heraus (Deci & Ryan, 1993). Das bedeutet, dass die Studierenden nicht lernen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Stattdessen lernen sie, weil der Lerninhalt für sie erstrebenswert ist oder ihnen das Lernen an sich Spaß macht.
Wie entsteht Interesse?
Interessentheorien unterscheiden situationales und individuelles Interesse (Renninger & Hidi, 2020). Situationales Interesse ist ein kurzfristiger Zustand, der durch eine Situation ausgelöst wird, die bestimmte Anreize bietet. Diese können vielfältig sein, wie neue Themen oder überraschende Ereignisse (Renninger & Hidi, 2019). Beispielsweise kann ein Magnet bei einem Kind situationales Interesse auslösen, wenn es merkt, dass er nur an eisenhaltigen Flächen haftet.
Interesse kann von Situationen ausgelöst und verstärkt werden.
Auf der Grundlage wiederholter positiver Erfahrungen durch situationales Interesse kann sich individuelles Interesse entwickeln (Høgheima, Jenssen & Federici, 2023). Individuelles Interesse ist zeitlich relativ stabil und kann als Persönlichkeitsmerkmal aufgefasst werden (Krapp, 2018). Es hängt mit einem hohen Wissensstand bezüglich eines Themas sowie mit Vorlieben für inhaltsbezogene Handlungen zusammen. Das trifft bei der Verfolgung eines Hobbys ein: Personen, die sich für Fußball interessieren, wissen sehr viel über die Sportart und haben oftmals auch viel Spaß dabei, Fußball zu spielen.
Die Entwicklung von kurzfristigem situationalem Interesse zu stetigem individuellem Interesse beschreibt das Vier-Phasenmodell von Renninger und Hidi (2019, 2020). Abbildung 1 zeigt das Modell nach eigener Darstellung.

Interesse ist nach dem Modell ein Prozess der Informationssuche und des Lernens. Zunächst lenkt eine aktuelle Situation die Aufmerksamkeit der Studierenden auf ein Thema. Diese Aufmerksamkeit kann sich fokussieren und weiter anhalten. Die Gründe liegen entweder an der Faszination im Thema selbst oder die Lernsituation sorgt dafür, dass Studierende sich intensiver damit auseinandersetzen. Sie sammeln mit der Zeit immer mehr Informationen zum Thema an und verknüpfen diese mit vorhandenem Wissen. So vertiefen Studierende ihr Verständnis. Durch vermehrte positive Erfahrungen mit dem situational ausgelösten Interesse kann sich individuelles Interesse entwickeln. Studierende mit individuellem Wissen versuchen nun aus eigenem Antrieb Wissen über den Lerngegenstand zu erlangen (Renninger & Hidi, 2019, 2020).
Interesse ist also entwicklungsfähig und diese Entwicklung kann durch Situationen beeinflusst werden. Indem Lehrende Lernsituationen entsprechend gestalten, können sie studentisches Interesse fördern.
Wie kann Interesse gefördert werden?
Die Wahl der pädagogischen Maßnahmen hängt davon ab, in welcher Phase der Interessenentwicklung sich die Studierenden befinden. Diese weisen in den einzelnen Phasen verschiedene Merkmale auf. Daher benötigen Studierende unterschiedliche Anreize und Hilfestellung, um ihr Interesse am Lerninhalt entwickeln zu können. Die nachfolgende Abbildung (Abbildung 2) enthält eine Checkliste mit Vorschlägen für Methoden, die das studentische Interesse in den ersten beiden und den letzten beiden Phasen beeinflussen können.

Situationales Interesse
In der ersten Phase des ausgelösten situationalen Interesses beschäftigen sich die Studierenden zum ersten Mal mit den Lerninhalten und haben noch keine Wertvorstellung oder kein Gefühl gegenüber dem Lerngegenstand. Lehrende müssen nun die studentische Aufmerksamkeit auf den Lerninhalt lenken und Neugier wecken. Das erreichen Sie durch die Verwendung überraschender oder komplexer Aufgabenstellungen, die Darstellung persönlicher Relevanz, Inkongruenz oder aktivierende Methoden. Sie unterstützen Ihre Studierenden durch konkrete Vorschläge, wie mit dem neuen Inhalt umgegangen werden kann und durch wertschätzendes Feedback (Renninger & Hidi, 2020). Wenn Studierende sich mit einem Lerninhalt auseinandersetzen und auf diese Erfahrung positives Feedback erhalten, fühlen sie sich wirksam und kompetent. Das begünstigt die Lernmotivation und positive Emotionen gegenüber dem Lerninhalt.
In der zweiten Phase des andauernden situationalen Interesses fokussieren Studierende ihre Aufmerksamkeit stärker und benötigen Unterstützung durch aktivierende Aufgaben, kleine Spiele, usw. Sie empfinden nun positive Gefühle gegenüber dem Inhalt und erkennen einen ersten Wert des neuen Wissens. Lehrende sollten nun ihre Studierende bestärken, erste eigene Ideen zu entwickeln. Dabei sollten Sie auch immer wieder den Bezug zu bereits bestehendem Wissen aufzeigen, damit Studierende Verbindungen zu früheren Erfahrungen herstellen können (Renninger & Hidi, 2020).
In diesen ersten beiden Phasen sind Studierende tendenziell extrinsisch motiviert und beschäftigen sich mit den neuen Inhalten, um ein eigenes Ziel zu verfolgen (bspw. eine Prüfung bestehen) oder um Lob bzw. Anerkennung zu erlangen. Daher ist es in diesen Phasen besonders wichtig, ihnen den Nutzen der Inhalte zu zeigen. Zum Beispiel können Sie die Relevanz des Lerninhaltes hinsichtlich des weiterführenden Studiums oder eines späteren Berufslebens verdeutlichen. Zudem können Sie einen möglichen Nutzen im Alltagsleben der Studierenden aufzeigen (Høgheima, Jenssen & Federici, 2023).
Außerdem kann situationales Interesse durch kognitive Aktivierungen, wie Problemlösen oder die Aufforderung, Fragen zu stellen, erzeugt werden (Quinlan, 2019). Dabei müssen Sie auf einen optimalen Schwierigkeitsgrad achten (Renninger & Hidi, 2020). Die Studierenden dürfen bei der Bearbeitung des Lerninhalts nicht überfordert werden. Gleichzeitig dürfen die Aufgaben auch nicht zu leicht sein. Die Studierenden sollten sie mit einer gewissen Anstrengung und entsprechender Unterstützung durch Sie oder Peers lösen können.
In den ersten Phasen der Interessenentwicklung ist außerdem die Lehrperson selbst von entscheidender Bedeutung. Je nachdem, wie enthusiastisch, freundlich und sachkundig sie von den Studierenden wahrgenommen wird, entwickeln diese selbst Interesse an einem Lerngegenstand (Quinlan, 2019). Sie sollten immer wieder herausstellen, was Sie selbst gerade für besonders spannend und interessant am aktuellen Lerninhalt empfinden. Des Weiteren sollten Sie Ihre Studierenden auffordern, Ihnen Fragen zu stellen und Ihr Expertenwissen als Ressource zur Weiterentwicklung des eigenen Wissensstandes zu nutzen.
Individuelles Interesse:
In Phase 3 des entstehenden individuellen Interesses beginnen Studierende sich selbstständig mit den Lerninhalten zu beschäftigen. Sie fangen an, die Informationssuche in einem bestimmten Themenbereich als “lohnenswert” zu empfinden (Renninger & Hidi, 2020). Sie stellen vermehrt Fragen und bauen eigenständig ihr Wissen aus. Sie besitzen nun gespeichertes Wissen über den Lerngegenstand und sehen diesen als wertvoll an. In dieser Entwicklungsphase müssen Lehrende Ressourcen zur Verfügung stellen, die es den Studierenden ermöglichen, ihr Wissen auszubauen: Sie sollten ausreichend Zeit zur selbstständigen Informationsbeschaffung geben. Außerdem könnten Sie Ihren Studierenden Kontakt zu Personen mit großem Vorwissen bei dem gewünschten Thema ermöglichen (z.B. über Expertinnen und Experten aus der Praxis). Sie sollten umfangreiches Feedback geben, das Informationen auch darüber beinhaltet, wie Ihre Studierenden sich verbessern können. In Phase 4 des gut entwickelten individuellen Interesses beschäftigen sich die Studierenden aus eigenem Antrieb mit dem Lerngegenstand und versuchen fortlaufend ihr Wissen zu vertiefen. Sie lernen größtenteils intrinsisch. Deswegen ist es für sie entscheidend, dass sie sich vermehrt autonom und kompetent wahrnehmen können. Sie müssen Ihnen nun mehr Freiheitsgrade gewähren und sie mitbestimmen lassen, wie sie lernen und mit welchen konkreten Inhalten sie sich beschäftigen (Renninger & Hidi, 2019). In dieser Phase nimmt die Selbstregulation zu: Studierende finden auf neue Fragen eigenständig Antworten und halten auch frustrierende Situationen aus. Ihre Unterstützung in dieser Phase beinhaltet hauptsächlich Möglichkeiten zur Wissenserweiterung zu schaffen (Renninger & Hidi, 2020). Das kann beispielsweise durch herausfordernde Projekte mit Möglichkeiten zur Supervision und fortlaufendem Feedback erreicht werden.
Zusammenfassung
Interesse verbindet emotionale Faszination und kognitive Wertschätzung. Durch die Gestaltung der Lernsituation können Lehrende das Interesse von Studierenden wecken und fördern. Sie selbst sind dabei ein wichtiger Faktor und tragen durch Enthusiasmus und wertschätzendes Verhalten zu der Entwicklung bei. Was sind Ihre Strategien, um Ihr eigenes Interesse Studierenden zu übermitteln und sie für Ihr Fach zu begeistern? Teilen Sie uns gerne Ihre Erfahrungen über die Kommentarfunktion oder LinkedIn.
Literatur
Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1993). Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation und ihre Bedeutung für die Pädagogik. Zeitschrift für Pädagogik, 39, 223–238.
Høgheim, S., Jenssen, E. S. & Federici, R. A. (2023) Do lectures matter? Exploring students’ situational interest in two learning arenas in teacher education, Scandinavian Journal of Educational Research, 67(7), 1027–1040. https://doi.org/10.1080/00313831.2022.2115131
Krapp, A. (2018). Interesse. In D. H. Rost, J. R. Sparfeldt & S. Buch (Hrsg.), Handwörterbuch pädagogische Psychologie (5. Aufl., S. 286–296). Beltz.
Quinlan, K. M. (2019). What triggers students’ interest during higher education lectures? Personal and situational variables associated with situational interest. Studies in Higher Education, 44(2),1–12. https://doi.org/10.1080/03075079.2019.1665325
Renninger, K. A. & Hidi, S. (2019). Interest Development and Learning. In K. A. Renninger & S. Hidi (Hrsg.), Cambridge handbooks in psychology. The Cambridge handbook of motivation and learning (S. 265–290). Cambridge University Press.
Renninger, K.A. & Hidi, S.E. (2020). To level the playing field, develop interest. Policy Insights from the Behavioral and Brain Sciences, 7(1), 10–18. https://doi.org/10.1177/2372732219864705
Schiefele, U., Krapp, A., & Schreyer, I. (1993). Metaanalyse des Zusammenhangs von Interesse und schulischer Leistung. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 10(2), 120–148.
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags
Rottmeier, S. (2025, 13. März). Von Neugier zu Faszination: Wie Interesse das Lernen beflügelt. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20250313.DE

Stephanie Rottmeier
Dr. Stephanie Rottmeier ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik (ZHW) der Universität Regensburg. Sie unterstützt und berät Dozenten bei der didaktischen Gestaltung von Vorlesungen und Seminaren. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf den Themen selbstreguliertes Lernen, insbesondere der digitalen Organisation von Selbstlernphasen, und Lernmotivation von Studierenden.
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