Kennen Sie das Gefühl, dass gerade alles zu viel wird? Dass der Gedanke an die zu bewältigenden Aufgaben Druck und Anspannung hervorruft? Es wird viel verlangt von Studierenden und auch von Mitarbeitenden an Hochschulen. Nicht immer fühlt man sich den Anforderungen gewachsen. Stress ist die Folge. Um hier eine Hilfestellung zu bieten, haben Frau Prof. Dr. Schworm und ihr Team für die Universität Regensburg ein innovatives Projekt eingeführt – Paws2Study. Mit tierischer Unterstützung soll das Wohlbefinden von Studierenden und Mitarbeitenden verbessert werden.
Stress und psychische Belastung im Studium
Der universitäre Alltag stellt Studierende immer wieder vor Herausforderungen. So können der Umzug von zu Hause, das Planen des eigenständigen Lebens oder zunehmend akademischer Druck eine hohe Stressbelastung bedeuten (Henderson et al., 2018). Hinzu kommen kritische globale Veränderungen wie die COVID-19-Pandemie, steigende Lebenshaltungskosten und Zukunftsängste (Techniker Krankenkasse, 2023), mit denen Studierende täglich konfrontiert werden. Vor allem die psychische Gesundheit von Studierenden scheint unter diesen Herausforderungen zu leiden. Laut dem TK-Gesundheitsreport 2023 sind 68 Prozent der befragten Studierenden durch Stress erschöpft, während es zum Vergleich im Jahr 2015 lediglich 44 Prozent waren. 70 Prozent der Studierenden berichteten, im Jahr 2023 an Ängsten und Sorgen zu leiden (Techniker Krankenkasse, 2023).
Diese alarmierenden Zahlen motivieren Hochschulen dazu, ihren Studierenden geeignete Angebote bereitzustellen, um sie bei der Stressbewältigung zu unterstützen. In den USA und Kanada wird deswegen bereits häufig mit Tiergestützter Intervention gearbeitet.
Positive Effekte von Hunden auf dem Campus
Die Idee der Tiergestützten Intervention an Hochschulen ist jedoch weit mehr als ein vorübergehender Trend. Ihre positiven Einflüsse sind bereits wissenschaftlich belegt. Tiergestützte Einsätze an Universitäten können unter anderem zu einer Steigerung des Wohlbefindens und Reduktion von Stress führen (Rothkopf & Schworm, 2023; Sokal et al., 2021).
Vor allem während des Streichelns des Hundes wird beim Menschen das Hormon Oxytocin ausgeschüttet (Beetz et al., 2012). Aber nicht nur beim Menschen, sondern auch beim Hund kann es durch Berührung freigesetzt werden (Wohlfarth & Mutschler, 2016). Oxytocin ist auch bekannt als “Kuschelhormon” und sorgt als Gegenspieler zum Stresshormon Cortisol unter anderem für Reduktion von Angst (Guastella et al., 2009) und Stressabbau (Heinrichs et al., 2003).
Tierische Sprechstunde mit Lakota, Romeo und Co.
An deutschen Universitäten sind Tiergestützte Interventionen noch eher selten. Professorin Schworm und ihr Team haben an der Universität in Regensburg mit dem Projekt “Paws2Study” die, unserem Kenntnisstand nach, erste “Tierische Sprechstunde” an einer deutschen Hochschule eingeführt. Sie wird während des Semesters für Studierende und Angehörige der Universität Regensburg regelmäßig angeboten.
Während einer einstündigen Sprechstunde haben Interessierte die Möglichkeit ohne Voranmeldung mit einem ausgebildeten Universitätsbegleithund frei zu interagieren. Das heißt, sie können Tricks mit ihm machen, Schnüffel- oder Zerrspiele spielen oder den Hund einfach nur streicheln. Während der Sprechstunde sind immer verschiedene Mensch-Hund-Teams anwesend. Die eingesetzten Hunde bringen ihre eigene Persönlichkeit mit ein: Manche mögen es eher ruhiger und wollen am liebsten durchgehend gestreichelt werden, andere sind aktiver und spielen gerne mit den Studierenden. Auch in Bezug auf ihre Größe und Rasse ist das Team breit aufgestellt – von Australian Shepherd bis Zwergpudel, allergikerfreundliche Rassen sowie Mischlinge aus dem Tierschutz sind dort im Einsatz. Es ist also für jeden Bedarf etwas dabei. Egal ob flauschig, kurzhaarig, verspielt oder ruhig – die Hunde der Tierischen Sprechstunde sind einzigartig und bringen den Studierenden während ihres stressigen universitären Alltags Freude und Ruhe. Aber auch, wenn die Hunde die Interaktion und das Streicheln sichtlich genießen, nach 20 Minuten werden die Teams gewechselt, denn die Aktivität soll auch für die Hunde stressfrei bleiben.
Stressfreie Hunde – Warum auch das Wohl des Hundes im Fokus ist?
Auch wenn im Vordergrund des Projekts der positive Einfluss steht, den die Hunde auf die Studierenden haben, wird jederzeit auch auf das Wohlbefinden der Hunde selbst geachtet. Nicht alle Hunde eignen sich für diese menschennahe Arbeit oder haben Freude, mit fremden Menschen zu interagieren. Daher ist es wichtig, dass nur geeignete Hunde im Einsatz sind und die Hundeführenden entsprechend geschult sind. Wir, Professorin Schworm und ihre Mitarbeiterin Felina Dinçer, sind Dozentinnen und Mentorinnen einer Therapiebegleithunde-Ausbildung (AG Mantrailing, Rettungshundestaffel & Therapiebegleithundezentrum). Zudem haben alle Projektbeteiligten mit ihren Hunden eine Ausbildung, bezogen auf Tiergestützte Interventionen, absolviert. Die Hundeführenden sind darin geschult, die Körperhaltung und Mimik ihrer Hunde zu lesen. Sie achten während der Einsätze immer auf Anzeichen von Stress oder Unwohlsein bei ihren Hunden und beenden gegebenenfalls einen Einsatz frühzeitig. Nur Hunde, die sich selbst wohlfühlen, sind auch gute Helfende für die Studierenden. Deshalb werden im Rahmen der Ausbildung auch alle Hunde auf Eignung geprüft und regelmäßige Super- und Intervisionen sind fester Bestandteil der Qualitätssicherung.
Nach ihren Einsätzen brauchen die Hunde eine Pause – am besten bei einer Runde Toben mit den Hundefreunden – um eventuell aufgebaute Anspannung abzubauen.
Paws2Study – Einzeltermine für Studierende
Neben der Tierischen Sprechstunde bietet das Paws2Study-Team auch Einzeltermine für Studierende an. Hierfür arbeitet das Team mit der Psychologisch-Psychotherapeutischen Beratungsstelle sowie der Lernberatung der Universität Regensburg zusammen. Während dieser Einzeltermine können die Studierenden mit einem Hund in einer sogenannten one-on-one-Sitzung interagieren, um beispielsweise ihr Heimweh zu reduzieren. Dabei wird vorab ein Termin mit einem der Mensch-Hunde-Teams ausgemacht. Es kommen auch Studierende kurz vor ihren Prüfungen vorbei, um durch einen gemeinsamen Spaziergang oder eine Kuscheleinheit mit dem Hund von der bevorstehenden Prüfung abzulenken und Stress abzubauen. Auf Wunsch begleitet das Mensch-Hund-Team die Studierenden bis vor den Prüfungsraum, sodass der Hund auch kurz vor der Klausur noch einmal gestreichelt werden kann. Meine Hündin Lakota und ich haben gemeinsam bereits einige Studierende mit Prüfungsangst begleitet. Dabei hat Lakota eine beruhigende Wirkung und bringt die Studierenden kurz vor der Prüfung auf andere Gedanken. Wichtig ist hier zu erwähnen, dass dieses Projekt eine Psychotherapie weder ersetzen kann noch soll. Diese Einzeltermine werden angeboten, um Stress durch eine Tiergestützte Aktivität abzubauen.
Interesse geweckt?
Haben Sie das Gefühl, tierische Unterstützung würde Ihnen guttun und helfen, mit aktuellen Herausforderungen etwas besser umgehen zu können? Dann kommen Sie gerne nächstes Semester zu einer unserer Tierischen Sprechstunden oder vereinbaren Sie einen Termin zu einer Einzelsitzung unter Tierisch.denken.lernen@ur.de.
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Literatur
Beetz, A., Uvnäs-Moberg, K., Julius, H., & Kotrschal, K. (2012). Psychosocial and psychophysiological effects of human-animal interactions: the possible role of oxytocin. Frontiers in Psychology, 3(234). https://doi.org/10.3389/fpsyg.2012.00234
Guastella, A. J., Howard, A. L., Dadds, M. R., Mitchell, P., & Carson, D. S. (2009). A randomized controlled trial of intranasal oxytocin as an adjunct to exposure therapy for social anxiety disorder. Psychoneuroendocrinology, 34(6), 917-923. https://doi.org/10.1016/j.psyneuen.2009.01.005
Heinrichs, M., Baumgartner, T., Kirschbaum, C., & Ehlert, U. (2003). Social Support and Oxytocin Interact to Suppress Cortisol and Subjective Responses to Psychosocial Stress. Society of Biological Psychiatry, 54(12), 1389-1398. https://doi.org/10.1016/S0006-3223(03)00465-7
Henderson, L., Thompson, K., Hudson, A., Dobson, K., Chen, S.-P., & Stewart, S. (2018). An analysis of campus culture, mental health, and drinking at three Canadian universities. Canadian Journal of Community Mental Health, 37(3), 97–113. https://doi.org/10.7870/cjcmh-2018-013
Rothkopf, C., & Schworm, S. (2021). Exploring dog-assisted interventions in higher education: Students’ attitudes and perceived effects on well-being. International Journal of Environmental Research and Public Health, 18(9), 4492. https://doi.org/10.3390/ijerph18094492
Sokal, L., Bartel, B., & Martin, T. (2021). Effects of Touch on Students’ Stress, Happiness, and Well-Being During Animal-Assisted Activities. Journal of Education and Development, 5(1), 111-122. https://doi.org/10.20849/jed.v5i1.887
Techniker Krankenkasse. (2023). Gesundheitsreport 2023. https://www.tk.de/resource/blob/2149886/e5bb2564c786aedb3979588fe64a8f39/2023-tk-gesundheitsreport-data.pdf
Wohlfarth, R. & Mutschler, B. (2016). Praxis der hundgestützten Therapie: Grundlagen und Anwendung. Reinhardt.
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags
Dinçer, F. (2024, 12. September). Paws2Study: Tierisch entspannt auf dem Campus mit der Tierischen Sprechstunde. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20240912.DE
Felina Dinçer
Felina Dinçer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Bildungswissenschaft an der Universität Regensburg. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre sind Tiergestützte Intervention, insbesondere Tiergestütztes Coaching im Hochschulbereich sowie selbstreguliertes Lernen in Großveranstaltungen.
Sie ist Systemischer Business Coach und Dozentin/Mentorin bei der „Arbeitsgemeinschaft Mantrailing – Rettungshundestaffel & Therapiehundezentrum“.
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