Am Ende einer Lehrveranstaltung können die meisten von uns recht gut einschätzen, ob es eine gute oder schlechte Veranstaltung war. Doch was genau macht eigentlich eine Lehrveranstaltung zu einer guten Lehrveranstaltung? Und anhand welcher Merkmale lässt sich gute von schlechter Hochschullehre unterscheiden?
Lehre findet in Interaktion mit Studierenden statt
Die Frage nach Qualitätsmerkmalen von Hochschullehre lässt sich leider nicht in einem Absatz beantworten. Lehren bedeutet zunächst eine “Tätigkeit, von der angenommen werden kann, dass sie Lernprozesse (Lernen) anderer beeinflusst” (Leutner, 2019). Lehren ist demnach keine Handlung, die als Selbstzweck und unabhängig von einem “Empfänger” geschehen kann. Lehre findet immer in Interaktion mit und zwischen anderen Personen statt. Als erstes Qualitätsmerkmal könnte daher festgehalten werden: Gute Lehre entsteht aus der Interaktion mit Studierenden. Je besser die Interaktion von Lehrenden und Studierenden, aber auch von Studierenden untereinander gelingt, desto höher ist die Qualität von Lehre.
Gute Hochschullehre fördert den Lernprozess von Studierenden
Dabei verfolgt diese Interaktion das Ziel, Lernprozesse von Studierenden zu beeinflussen. Lehre lässt sich demnach auch daran messen, wie gut es gelingt, Lernprozesse von Studierenden zu fördern. Es lohnt sich daher, zunächst den Lernprozess von Studierenden näher zu betrachten.
Vereinfacht bedeutet Lernen, dass sich Studierende aktiv mit einem Lernmaterial auseinandersetzen, um ein bestimmtes Lernziel zu erreichen. Dieser Prozess lässt sich durch einen Ablauf verschiedener (Handlungs-)Phasen modellieren (Wild, 2000, siehe Abbildung 1):
Der Lernprozess beginnt mit einer ersten Auseinandersetzung mit einem Lernmaterial. Studierende bilden sich dabei eine Vorstellung davon, was von ihnen erwartet wird und welche Aktivitäten geeignet sind, um eine Aufgabe zielführend zu bearbeiten (Subjektive Konstruktion der Lernaufgabe). Der Begriff der Aufgabe ist dabei sehr weit zu verstehen: Er umfasst sowohl einfache Vorgänge wie z.B. das Auswendiglernen von Begriffen als auch komplexe Sachverhalte (wie das kritische Evaluieren von Thesen).
In einem zweiten Schritt, der motivationalen Regulation, entscheiden die Studierenden, ob sie sich mit der Aufgabe auseinandersetzen und welche Lernstrategie sie dabei anwenden wollen. Wie sich Studierende dann tatsächlich mit einem Lerninhalt auseinandersetzen und welche Lernstrategien sie anwenden, entscheidet sich in der Phase der (Lern-)Handlungsregulation. Der eigentlich Lernvorgang, die kognitive Verarbeitung der Lernaufgabe, erfolgt schließlich durch die Anwendung verschiedener kognitiver Lernstrategien.
Wie aus Abbildung 1 hervorgeht, wird der Lernprozess sowohl durch personinterne Merkmale, als auch durch Merkmale des Lernkontext bzw. der Lernumgebung beeinflusst. Bei den Kontextmerkmalen spielt das Lehrverhalten der Dozierenden eine entscheidende Rolle. Mit der Art und Weise, wie Lehrende die Lernumgebung gestalten, können sie das Gelingen oder Misslingen des Lernprozesses maßgeblich beeinflussen.
Bei Lehre gibt es kein “one size fits all”
Für Forschungszwecke werden solche Handlungsanregungen, die den Lernprozess positiv beeinflussen, theoretisch und empirisch hergeleitet. Sie geben Aufschluss darüber, welche Lehrhandlungen für welche Lernziele bei einer bestimmten Teilnehmer:innen den stärksten Effekt haben. Dabei ist das Zusammenspiel all dieser Faktoren sehr komplex. Eine evidenzbasierte Entscheidung für eine bestmögliche Gestaltung von Lernumgebungen kann daher nur für einen Einzelfall (z.B. im Rahmen einer Lehrberatung) getroffen werden.
Für praktisch Zwecke ist es wichtiger, Anhaltspunkte zu finden, welche Verhaltensweisen häufig und relativ unabhängig von einem konkreten Lernsetting den Lernprozess Studierender positiv beeinflussen. Eine ergiebige Quelle dafür sind gut validierte und reliable Evaluationsinstrumentarien. Sie bieten einen Überblick über Dimensionen und Merkmale guter Lehre, die sich fach- und veranstaltungsübergreifend auf den Lernprozess von Studierenden auswirken.
Um verschiedene Elemente und Dimensionen von Lehrqualität zu beschreiben, haben wir am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik reliable und gut validierte Evaluationsbögen analysiert (Hawelka & Hiltmann, 2018). Um ein möglichst breites Spektrum des Konstrukts guter Lehre abzudecken, wurden mit dem SEEQ, HILVE und Fradov drei in ihrer Entwicklung und Herangehensweise sehr verschiedene, standardisierte Evaluationsinstrumentarien herangezogen. Die Skalen dieser Evaluationsinstrumentarien wurden inhaltlich nach ihrer Funktion zur Unterstützung des Lernprozesses analysiert und dann den einzelnen Phasen zugeordnet.
Viele Wege führen zum Ziel
In der Zusammenschau von Dimensionen guter Lehre (aus validen Evaluationbögen) und dem oben beschriebenen Modell lässt sich die Begleitung von Lernprozessen in verschiedenen Phasen darstellen. Das folgende Video skizziert, wie Lehrende ihre Studierenden in ihrem Lernprozess unterstützen können. Dabei wurden die Phasen der Motivations- und Handlungsregulation für dieses Modell zusammengefasst, da beide durch dieselben didaktischen Mittel gefördert werden können.
Gute Lehre lässt sich daran messen, wie sehr es gelingt, Studierende dazu anzuregen, sich zielführend mit einem bestimmtern Lerninhalt auseinanderzusetzen. Die Betrachtung der verschiedenen Dimensionen hat zahlreiche Optionen aufgezeigt, wie Lehrende durch didaktisches Handeln den Lernprozess von Studierenden unterstützen können.
Weitere Aspekte und detailierte Handlungsanregungen werden wir künftig 14tägig mit Blogbeiträgen über Lehrkonzepte, Tipps und Praxisbeispielen vertiefen.
Literatur
Biggs, J. & Tang, C. (2011). Teaching for quality learning at university. What the student does (4th ed.). Maidenhead: Society for Research into Higher Education and Open University Press.
Hawelka, B. & Hiltmann, S. (2018). Teaching Analysis Poll – ein Kodierleitfaden zur Analyse qualitativer Evaluationsdaten. In M. Schmohr & K. Müller (Hrsg.), Gelingende Lehre: erkennen, entwickeln, etablieren (S. 73-92). Bielefeld: Bertelsmann.
Leutner, D. (2019). Lehren. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch Lexikon der Psychologie. https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/lehren.
Wild, K.-P. (2000). Lernstrategien im Studium. Strukturen und Bedingungen. Münster: Waxmann.
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Hawelka, B (2021, 25. März). Was ist gute Hochschullehre? Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20210325.DE
Birgit Hawelka
Dr. Birgit Hawelka ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsdidaktik an der Universität Regensburg. In Forschung und Lehre beschäftigt sie sich schwerpunktmäßig mit den Themenfeldern Lehrqualität und Evaluation. Ansonsten verfolgt sie neugierig alle Entwicklungen und Erkenntnisse rund um das Thema Hochschullehre.
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