Akademische Abschlussarbeiten sind für alle beteiligten Personen – Studierende wie auch ihre Betreuer:innen – eine besondere Herausforderung. Hier können Projektmanagementtools bei der strukturierten und effizienten Vorgehensweise ein hilfreiches Werkzeug sein, um einerseits die Betreuer:innen zu entlasten, andererseits aber auch, um das Lern- und Studienerlebnis – die Student Journey – der Studierenden zu verbessern. Der Beitrag hat folgende Fragen im Fokus: Welche Rolle nimmt die akademische Abschlussarbeit im Curriculum der Studierenden ein? Welche Rolle spielen die Betreuenden? Wie können Hochschulen die Student Journey verbessern?
Akademische Abschlussarbeiten stellen für die beteiligten Personen eine besondere Herausforderung dar. Für Studierende bedeutet die Abschlussarbeit in der Regel das erste Arbeitsvorhaben über einen längeren Zeitraum hinweg. Zudem weisen Abschlussarbeiten eine komplexere Größenordnung auf, die mit Fähigkeiten des Projektmanagements angegangen werden können. Die betreuenden Lehrpersonen sind zwar gute Wissenschaftler:innen, die auch zumeist relevante Vorlesungen anbieten, und sie beherrschen ihren Forschungsgegenstand. Nicht selten fehlen ihnen allerdings die nötigen didaktischen Kenntnisse und fundierte Fähigkeiten im Projektmanagement. Folglich ist der Erfahrungsstand auf beiden Seiten in Sachen Projektdurchführung ausbaufähig (Schmolitzky & Schümmer, 2009).
Aktivierung der Future Skills & Verbesserung der Student Journey
Diese letzte Etappe der Student Journey, eben das Erstellen der Abschlussarbeit, ist auch die letzte Möglichkeit der Lehrenden zur Vermittlung von relevanten Future Skills. Das sind diejenigen Fähigkeiten, die in der Arbeitswelt von morgen benötigt und welche auch die Zukunft der Hochschulen prägen werden (Ehlers, 2020). Die Vermittlung dieser relevanten Fähigkeiten kommt an den meisten Hochschulen und in den meisten Vorlesungen deutlich zu kurz. Gerade hier können die akademische Abschlussarbeit und der dazugehörige Prozess ansetzen.
Aber noch mal einen Schritt zurück. Was hat die Betreuung der Abschlussarbeit mit der Student Journey zu tun? Die Student Journey stellt eine durchgängige Abfolge aller Interaktionen dar, die ein Studierender während seiner/ihrer Zeit an der Hochschule oder Universität erlebt (PwC, 2018). Sie hat zum Ziel, den kognitiven Lernprozess und die damit verbundene emotionale Stimmungskurve zu reflektieren, um zu erkennen, wann es einer Unterstützung oder Motivation durch die Lehrperson bedarf (Frank & Reinmuth, o.J.).
Betreuung auf Augenhöhe
Lehrende wie Studierende sollten den Betreuungsprozess auf Augenhöhe wahrnehmen, was auf den Ansatz der studentischen Partizipation zielt (Barth, 2022). Beide Seiten – betreuende Person wie auch die Studierenden – sind an einer erfolgreichen Fertigstellung der akademischen Arbeit interessiert. Damit das Ziel von Studierenden und Lehrenden gemeinsam erreicht werden kann, muss der Schreibprozess optimal strukturiert und effizient gestaltet werden.
Soweit die ideale Vorstellung. Denn genau hier geht die Schwierigkeit los: Die Betreuung von Abschlussarbeiten erfolgt an den meisten Hochschulen unter Einsatz verschiedener Insellösungen, nicht abgestimmter Kommunikationswege sowie einer unklaren Betreuungsleistung. Der Betreuungsprozess findet zudem in den seltensten Fällen barrierefrei statt – sei es physisch oder digital barrierefrei. Das mindert die positive Student Journey.
Digitale Unterstützer einsetzen
Hier können digitale Projektmanagement-Tools ansetzen, die Lehrende aktiv bei der Betreuung akademischer Abschlussarbeiten unterstützen und die digitale Barrierefreiheit zum Ziel haben. Dafür gibt es diverse geeignete digitale Projektmanagementtools, wie z.B. Trello und Confluence des australischen Anbieters Atlassians oder NEOpaper der EDNEO AG aus Deutschland. Dieses Tool soll hier beispielhaft vorgestellt werden.
Die erfolgreiche Betreuung von akademischen Abschlussarbeiten sollte mehr sein als die Kombination aus irgendwelchen Excel-Listen und Notizen auf Papier in Kombination mit Outlook-Einträgen, was zu viele Barrieren verursacht. Zu häufig ist der Lehrende mit folgenden Fragen konfrontiert und muss für eine mögliche Antwort unzählige alte E-Mails oder Gesprächsnotizen durchgehen:
- Wer hat welches Thema zur Bearbeitung?
- Wer hat welche Bearbeitungszeit?
- Wer steht wo im Prozess?
- Mit wem wurde was abgesprochen?
- Wurde die Gliederung schon abgestimmt?
- Wurde die Abschlussarbeit schon angemeldet?
In einer digitalen Plattform kann jede akademische Abschlussarbeit als eigenes Forschungsprojekt angelegt und gepflegt werden. Dies umfasst auch eine Beschreibung der Abschlussarbeit in Form von Umfang, Methode und Abgabedatum.
Studierende müssen Zwischenschritte (Tasks) erfüllen, um Meilensteine zu erreichen und Phasen abzuschließen. Die Bearbeitungszeit muss selbst eingeteilt und genutzt werden.
Auf einem Dashboard – einer Art digitalen Pinnwand – können die Projektteilnehmenden Dokumente digital ablegen. Die betreuende Person kann über seine/ihre Adminrechte zugewiesene Rollen verteilen und ggf. neue Nutzer:innen hinzufügen. Ein Projektzeitplan zeigt Start- und Enddatum der Abschlussarbeit sowie den Projektfortschritt an.
Zudem besteht für die Projektteilnehmer zu jeder Zeit die Möglichkeit zur Kommunikation. Eine Benachrichtigung über einen neuen Kommentar erfolgt über das persönliche Postfach. Dem Kommentar können Dateien, etwa der aktuelle Stand der Gliederung oder Erhebungsinstrumente, beigefügt werden. Dies erleichtert die barrierefreie Kommunikation zwischen den Projektbeteiligten.
Über eine integrierte Kalenderfunktion kann mit der betreuenden Person ein persönliches oder virtuelles Treffen zur Rücksprache terminiert werden.
Lehrende werden zu Lernbegleiter:innen
Trotz der weitestgehend selbstständigen Arbeit der Studierenden, sollen Lehrende in ihrer Rolle als Lernbegleiter:in, Mentor:in und Coach ansprechbar sein – womit wir wieder bei der bereits genannten Student Journey sind. Hierfür stehen ein Kommentarbereich und eine digitale Sprechstunde zur Verfügung, die auf Knopfdruck und unter Abgleich des Kalenders der Betreuenden vereinbart werden kann. Die verbesserte Interaktion stärkt soziale und kommunikative Fähigkeiten, was erneut die Future Skills anspricht. Automatische Notifikationen informieren alle Beteiligten über Fortschritte des Projektes. Eine intuitive und anwenderfreundliche Oberfläche ermöglicht eine schnelle Einarbeitung sowie das Abspeichern wichtiger Dokumente.
Studierende haben mit digitalen Plattformen die Möglichkeit, mit mehr Motivation und Freude ihre akademische Abschlussarbeit umzusetzen. Unsicherheit geht verloren und wird durch einen strukturierten, transparenten und barrierefreien Prozess ersetzt. Die Studierenden erhalten Verantwortung für den eigenen Schreibprozess und die dafür notwendige Autonomie. Digitale Plattformen bereiten die Studierenden zudem auf digitale Arbeits- und Kommunikationsformen vor. Genau diese Fähigkeiten sind seitens der Hochschulen noch deutlich ausbaufähig, was eine Studie des Bayerischen Forschungsinstituts für Digitale Transformation zeigt (Hofmann et al., 2021). Somit haben digitale Projektmanagementtools einen starken studierendenzentrierten Ansatz.
Hochschulen und Universitäten werden darin bestärkt, mit Hilfe digitaler Tools eine barrierefreie Betreuung zu ermöglichen. Dazu werden relevante Future Skills – so etwa digitale Skills, Zeitmanagement und Projektmanagementfähigkeiten – der Studierenden aktiviert. Zugleich steigt die Chancengleichheit. Hochschulen und Universitäten werden damit zu einer studierendenzentrierten Organisation (PwC, 2018).
Call to Action für Betreuende
Was ist für uns Betreuende also zu tun? Wo können wir aktiv werden? Wer sich als Betreuender zur digitalen Spezies zählt, seine/ihre Rolle als betreuende Person stetig verbessern möchte und die Student Journey im Blick hat, sollte den Einsatz digitaler Tools im Rahmen des Betreuungsprozesses angehen. Ein kreativer Austausch unter Kolleg:innen ist ein weiterer Ansatz. Worauf warten wir? Die Student Journey ist schon gestartet – und wir können sie aktiv mitgestalten.
Literatur
Barth, L. (2022, 17. Februar). Partizipation auf Augenhöhe. Hochschulforum Digitalisierung. https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/blog/partizipation-auf-augenhoehe
Hofmann, Y., Salmen, N., Stürz, R. A., Schlude, A., Putfarken, H., Reimer, M., & Classe, F. (2021). Die Pandemie als Treiber der digitalen Transformation der Hochschulen? Einschätzungen aus der Sicht von Lehrenden und Studierenden. In Bidt Analysen und Studien. 5; Analysen und Studien / Bayerisches Forschungsinstitut für Digitale Transformation. https://www.bidt.digital/wp-content/uploads/2021/10/BIDT_IHF_Studie_Digitale-Transformation-der-Hochschulen.pdf
Ehlers, U.-D. (2020). Future Skills. Lernen der Zukunft – Hochschule der Zukunft. Wiesbaden: Springer.
PwC (2018). Reimagining the Student Journey. Creating efficient, student-focused Universities in the Middle East. https://www.pwc.com/m1/en/industries/education/publications/reimagining-the-student-journey.pdf
Schmolitzky, A. & Schümmer, T. (2009, 20. April). Entwurfsmuster zur Betreuung von Abschlussarbeiten. https://www.e-teaching.org/praxis/erfahrungsberichte/betreuung-von-abschlussarbeiten
Frank, C. & Reinmuth, E. (o.J.). Reflexionskompetenz: „Student Journey“. https://humboldt-reloaded.uni-hohenheim.de/fileadmin/einrichtungen/humboldt-reloaded/Downloads/HR_digital/Lehrmethode_zur_Reflexionskompetenz_Student_Journey.pdf
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Remhof, S. (2023, 13. Juli). Digital auf die letzte Etappe der Student Journey – Digitale Betreuung von akademischen Abschlussarbeiten mit Projektmanagementplattformen. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20230713.DE
Stefan Remhof
Prof. Dr. Stefan Remhof ist Professor für Internationales Management an der IU Internationale Hochschule. In Lehre und Praxis beschäftigt er sich mit der Digitalisierung der Lehre. Seine Passionen liegen in der Verbesserung der Student Journey sowie der digitalen und damit idealen Betreuung akademischer Abschlussarbeiten.
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