Agilität, Exzellenz und Innovation – das sind die Schlagworte für das geplante Bayerische Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG), welches als modernstes Hochschulrecht in ganz Deutschland betitelt wird. Was hat das jetzt mit den Impulsen für Nachhaltigkeit zu tun und wie spannt sich dadurch der Bogen zur Nachhaltigkeit in der Lehre?
Unter den Allgemeinen Aufgaben (Art. 2) des BayHIG vom 5. Mai steht unter Absatz 7: “Die Hochschulen sind dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen und der Biodiversität, dem Klimaschutz und der Bildung für nachhaltige Entwicklung verpflichtet.“
Nachhaltigkeit und Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an Hochschulen sind damit nicht mehr nur nette Buzzwords, sondern politisch verankert. Was heißt das jetzt für die Lehre? Nachhaltigkeit darf nicht mehr nur ein Nischenthema mit grünem Anstrich bleiben. Die Beschäftigung mit BNE hat mehr zu bieten. Folgende Fragestellungen müssen bei allen gesellschaftlichen und politischen Entscheidungen einfließen, wenn wir an einer zukunftsfähigen Gesellschaft arbeiten wollen:
- Wie beeinflusse ich mit meinen Entscheidungen die Zukunft von morgen?
- Was bewirke ich mit meinem Konsum, meiner Art der Fortbewegung oder meinem Lebensstil an sich? Welche Auswirkungen hat dies auf andere Regionen der Erde?
- Welche globalen und politischen Mechanismen sind ausschlaggebend für Gewalt, Konflikte, Flucht und Terror?
- Welche Wertvorstellungen und Verhaltensweisen müssen wir überdenken, damit wir auch zukünftigen Generationen einen lebenswerten Planeten hinterlassen?
Nachhaltigkeit ist also nicht nur ein Thema der Biolog:innen, Geograph:innen oder Klimawissenschaftler:innen, sondern ein interdisziplinäres Handlungsfeld, in dem zukünftige Entscheidungsträger:innen ausgebildet werden müssen. Nachhaltigkeit ist dabei in verschiedenen Dimensionen zu betrachten. Die Basis bildet die Ökologie, aber auch ökonomische, soziale und kulturelle Anknüpfungspunkte müssen miteinbezogen und betrachtet werden, um gesellschaftliche Gerechtigkeit zu erzielen. Manchmal bedarf es Fingerspitzengefühl, diese Schwerpunkte ganzheitlich und gleichwertig mitzudenken. Der Aufbruch in eine neue Zeit, in der Klimaneutralität und Nachhaltigkeit selbstverständlich sind, führt nicht an der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) vorbei. Unter BNE wird die Bildung verstanden, “die Menschen zu zukunftsfähigem Denken und Handeln befähigt“ (Was ist bne? – Bne-portal kampagne, o. J.). Jeder Einzelne soll so die Auswirkungen des eigenen Handelns auf die Welt verstehen.
Zwei kleine Tipps, um CO2 einzusparen finden Sie hier, bevor wir zu den größeren Hebeln kommen:
Wie simpel CO2 eingespart werden kann, zeigt sich am Beispiel von Videokonferenzen insbesondere in Corona-Zeiten.
So kann jeder Einzelne bei einem einstündigen Meeting durch das Ausschalten der Kamera bis zu 96% der Emissionen einsparen[2].
Es sind oftmals die Details und die genaue Zusammenstellung, die einen Unterschied für die Umwelt machen. So hat die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft von 2013 bis 2020 schrittweise das papierlose Studium getestet. Das Ergebnis: Wenn für den Druck der Skripte “Frischpapier” verwendet wird, dann ist die CO2-Bilanz eines Tablets deutlich besser. Wird dagegen Recyclingpapier verwendet, dann ist der Ausdruck des Skripts ökologischer als die Technik.
Im Folgenden stellen wir vier Tools und Plattformen vor, die als innovatives Handwerkszeug für die Integration von Nachhaltigkeit bzw. BNE in die Lehre genutzt werden können. Wühlen wir uns also gemeinsam durch den “grünen“ Pool der Möglichkeiten!
HochN-Wiki – Sammlung innovativer Lehrformate für BNE Literatur
HochN-Wiki bietet Erfahrungsaustausch und Vernetzung für Nachhaltigkeit an Hochschulen an. Die Plattform entstand im Rahmen des BMBF geförderten Projekts HochN und gibt Leitfäden, Tipps und Tricks zu den sechs Handlungsfeldern:
- Nachhaltigkeitsberichtserstattung
- Governance
- Lehre
- Forschung
- Betrieb
- Transfer
Mittlerweile hat sich aus dem BMBF-geförderten Projekt HochN die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltigkeit an Hochschulen e.V. gegründet, die unter dem Namen “DG HochN Hub” virtuelle Treffen mit ausgewählten Themen rund um Nachhaltigkeit an Hochschulen anbietet. Besonders spannend für den Teilbereich Lehre sind die SDG-Hubs für die Umsetzung der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN an Hochschulen und die DG-Hubs für “Innovative Lehrformate für BNE”. In diesem virtuellen Meeting wird Lehrenden eine hochschulübergreifende Plattform geboten, um sich über Lehrmaterial, Tools und Finanzierungsmöglichkeiten auszutauschen. Wir empfehlen Ihnen zudem die Beispielsammlung für innovative Lehrformate (BNE).
Yooweedoo – Social Entrepreneurship großgeschrieben
Kiel macht es vor: Die Akademie für Nachhaltigkeit berät und unterstützt Lehrende und Studierenden bei der Gründung von nachhaltigen, gemeinwohlorientierten und sozialen Projekten und Startups. Gestützt durch ein breites Netzwerk, haben sie ein großes Ziel: Empowerment für eine nachhaltige Entwicklung. Die Plattform bietet unterschiedliche Veranstaltungen und Selbstlernkurse. Der Fokus liegt dabei auf frei zugänglichen Kursen, welche Facetten des Social Entrepreneurships beleuchten. Jährlich finden Ideenwettbewerbe statt, die junge Menschen mobilisieren sollen, ihre innovativen Projekte auszubauen. Über den “Marktplatz” und die News werden Interessierte über aktuelle Workshops, Stellenanzeigen und Veranstaltungen innerhalb der Schwerpunktthemen informiert.
Dozierende können Studierende auf die Seite aufmerksam machen oder auch selbst beraten werden. Experten unterstützen beim Aufbau eines Lernprogramms, bei der Integration in den Studiengang und bei organisatorischen Fragestellungen zu Prüfungsleistungen, Benotung von Projektkonzepten und -berichten. So könnten beispielsweise neue Module in die Vorlesungen eingebaut oder Studierende zum Selbststudium inspiriert werden. Weitere Infos unter: https://www.yooweedoo.org/de/news
Stiftung Innovation in der Hochschullehre – fördert, informiert und vernetzt
Ein Studium soll neben der ausschließlichen Vermittlung von Fachwissen auch bestenfalls die Handlungskompetenz und Selbstkompetenz der Studierenden stärken. Junge Absolvent:innen sollen später mobilisiert werden, mit ihren innovativen Ideen an die Herausforderungen der Gesellschaft anzuknüpfen.
Die Treuhandstiftung hat es sich zum Ziel gemacht, die Hochschulen in ihrer Anpassung an den kontinuierlichen, gesellschaftlichen Wandel zu unterstützen. Sie setzt auf eine hohe Innovationskraft innerhalb von Studium und Lehre und fördert – finanziell und fachlich – zukunftsorientierte Projekte mit Transferansatz. Dazu werden regelmäßig Ausschreibungen veröffentlicht.
Alternativ zu einer Förderung haben Lehrende die Möglichkeit, gemeinsam über aktuelle Herausforderungen innerhalb verschiedener Fachbereiche in der Online-Veranstaltungsreihe zu diskutieren. Von Juli bis Dezember 2022 sind folgende Fachbereiche im Fokus: Jura, Erziehungswissenschaften, Sozialwissenschaften/Politik, Medizin, Fremdsprachendidaktik. Im Zuge eines jährlichen Programms zu einem übergeordneten Thema werden verschiedene Veranstaltungen angeboten. Schwerpunkt des laufenden Jahres 2022 ist “Hochschullehre im Kontext von Nachhaltigkeit”. Zusätzliche Inspiration durch Austausch und Kooperation wird in einer jährlichen Tagung (TURN Conference) angeboten.
Auch Vernetzung wird innerhalb der Stiftung großgeschrieben. Akteure aller Fachdisziplinen sollen in Kontakt kommen, Wissen und Erfahrungen sollen zugänglich gemacht, und Herausforderungen diskutiert werden. Die Plattform bietet einen Überblick über lehrbezogene Netzwerke, sowie lehr- und lernbezogene Portale im Hochschulbereich. Auf diese Weise soll der Transfer von innovativen Ideen optimiert werden.
Public Climate School – Wandel fängt mit Bildung an!
Die Fridays For Future Bewegung ist mittlerweile fast jedem ein Begriff. Nicht nur Schüler:innen, sondern auch Studierende setzen sich im Rahmen der Bewegung für eine lebenswerte Zukunft ein. Zweimal im Jahr seit November 2019 veranstalten deshalb die Students for Future die Public Climate School (PCS), die sich für Klimabildung an Schulen und Hochschulen einsetzt. Eine Woche lang wird ein breites Programm in Deutschland präsentiert, das deutlich macht, wie Bildung für die Zukunft aussehen kann. Ziel ist es, Bildung für nachhaltige Entwicklung und Klimabildung kostenlos zu machen und gleichzeitig an alle Hochschulen in Deutschland heranzutreten und zum Mitmachen zu animieren.
Einen ähnlichen Ansatz hat auch das studentische Netzwerk Nachhaltigkeit am Campus Regensburg gewählt. Seit 2019 wird am Campus eine Nachhaltigkeitswoche angeboten. Dieses Jahr findet die Nachhaltigkeitswoche vom 27.06. bis 03.07.2022 statt und ist mit 115 verschiedenen Veranstaltungen auf eine beachtliche Größe herangewachsen. Die Organisation dazu hat in Hauptverantwortung die Stadt Regensburg übernommen. Auch hier wird aufgerufen, sich mit eigenen Inhalten zu beteiligen oder von den zahlreichen Veranstaltungsformaten inspirieren zu lassen.
Fazit
Die Vermittlung von Wissen ist in unserer Gesellschaft ein essenzielles Gut. Umso wichtiger ist die Art von Wissenstransfer herzustellen, die es erlaubt, Erfolge und Herausforderungen zu teilen und sich mit Akteur:innen und Multiplikator:innen zu vernetzen. Kennen Sie weitere Projekte zum Thema Nachhaltigkeit in der Lehre? Bitte ergänzen Sie gerne unsere Auswahl mit Ihren Erfahrungen. Nutzen Sie dazu die Kommentarfunktion oder diskutieren Sie mit uns auf Twitter.
Literatur
BayHIG (2022). https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayHIG-2
Obringer, R., Rachunok, B., Maia-Silva, M., Arbabzadeh, M., Nathegi, R. & Madani, K. (2021). The overlooked environmental footprint of increasing Internet use. Resources, Conservation and Recycling, 167. https://doi.org/10.1016/j.resconrec.2020.105389
Was ist bne? – Bne-portal kampagne. (o. J.). BNE-Portal – BNE-Portal Kampagne. Abgerufen 14. Juni 2022, von https://www.bne-portal.de/bne/de/einstieg/was-ist-bne/was-ist-bne.html
Für weitere Infos zur Thematik “Papier vs. Online”:
https://www.greenpeace.ch/de/hintergrund/44410/online-vs-papier-zahlen-und-fakten/
https://blog.zhaw.ch/papierlosesstudium/
https://digitalcollection.zhaw.ch/handle/11475/1039
Vorschlag zur Zitation des Blogbeitrags: Green Office (2022, 30. Juni). 4 Impulse für mehr Nachhaltigkeit in der Lehre. Lehrblick – ZHW Uni Regensburg. https://doi.org/10.5283/ZHW.20220630.DE
Unsere Autoren stellen sich vor:
Green Office
Das Green Office der Universität Regensburg ist ein Nachhaltigkeitsbüro, das Studierende und Universitätsmitarbeiter*innen dabei unterstützt, das Thema Nachhaltigkeit in verschiedenen Dimensionen (ökologisch, sozial und ökonomisch) zu beleuchten und die Nachhaltige Entwicklung ganzheitlich anzugehen. Das Green Office leitet Ann-Kathrin Roßner zusammen mit studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften. Mehr Informationen dazu unterhttps://go.ur.de/greenoffice
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